- Wirtschaft und Umwelt
- Tarifrunde in der Metallindustrie
IG Metall plant ganztägige Warnstreiks
Auch bei Siemens und Volkswagen stehen härtere Auseinandersetzungen zwischen Konzernspitze und Beschäftigten bevor
Vier Wochen nach dem Ende der Friedenspflicht und gestärkt durch die jüngste massive Warnstreikwelle rüstet sich die IG Metall für eine Eskalation im härtesten bundesweiten Tarifkonflikt in der Metall- und Elektroindustrie seit vielen Jahren. Bundesweit werden jetzt in zahlreichen Betrieben 24-stündige Warnstreiks vorbereitet, wie die Industriegewerkschaft am Wochenende verkündete.
»Wir sind mit dem festen Willen in diese Verhandlung gegangen, einen tragbaren Kompromiss für beide Seiten zu finden« erklärte der baden-württembergische IG Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger am Samstagmittag in einer von zahlreichen Gewerkschaftsmitgliedern per Livestream verfolgten Pressekonferenz in Stuttgart. Die Unterhändler des Arbeitgeberverbands Südwestmetall seien jedoch auf keinen der unterbreiteten Lösungsvorschläge eingegangen. »Offenbar verstehen die Arbeitgeber keine andere Sprache als noch mehr Druck«, so der Gewerkschafter. Knackpunkt und Sollbruchstelle war offensichtlich der von der IG Metall angestrebte teilweise Lohnausgleich im Zusammenhang mit der Forderung nach einem tarifvertraglichen Anspruch auf eine befristete »kurze Vollzeit« von 28 Wochenstunden.
Damit sollen Beschäftigte für die Dauer von zwei Jahren die Option erhalten, die Wochenarbeitszeit zugunsten von Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu reduzieren oder angesichts von Schichtarbeit etwas kürzer zu treten. Offenbar war die IG Metall-Spitze bereit, im Gegenzug flexiblere betriebliche Optionen zur Anpassung der Arbeitszeit nach oben zuzugestehen, die ein Stück weit die für Westdeutschland seit rund 25 Jahren geltende tarifvertragliche 35-Stunden-Woche zurückgedrängt hätten. In der aktuellen Runde fordert die Gewerkschaft unter anderem auch ein Lohnplus von sechs Prozent.
Mit der nächtlichen Stuttgarter Verhandlungsrunde hatte die IG Metall-Spitze dem Unternehmerlager noch einmal eine letzte Frist zur Einigung eingeräumt. Der Südwesten mit rund 900 000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie hatte in vergangenen Jahren schon oft als »Pilotbezirk« fungiert, dessen regionale Verhandlungsergebnisse in der Regel bundesweit für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Branche übernommen wurden.
Die 24-stündigen Warnstreiks seien so angelegt, dass sie »richtig wehtun« und dienten als »letzte Gelbphase vor der Rotphase eines Flächenstreiks«, so IG Metall-Chef Jörg Hofmann. Man habe die Bezirksleitungen angewiesen, vorsorglich die für einen unbefristeten Flächenstreik notwendige Urabstimmung der Mitglieder vorzubereiten.
Eine Verhärtung der Tariffront zeichnet sich auch beim Volkswagenkonzern ab, für den ein separater Haustarifvertrag besteht. Die Haltung der Konzernleitung sei »enttäuschend«, sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh in einem dpa-Interview. Angesichts von Rekordverkäufen fühlten sich die Beschäftigten »vom Unternehmen auf den Arm genommen«, so Osterloh, der Warnstreiks nach einem ergebnislosen Ausgang der für Dienstag geplanten Verhandlungsrunde nicht ausschloss. Die IG Metall fordert für VW sechs Prozent mehr Lohn, eine bessere betriebliche Altersversorgung und eine Ausbildungsplatzgarantie.
Auch bei Siemens stehen die Zeichen auf Sturm. So wollen Belegschaftsaktionäre mit Unterstützung der IG Metall am Mittwoch vor der Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle mit einem Spalier aus Transparenten gegen den drohenden Abbau von 6900 Stellen und Werksschließungen in der Kraftwerkssparte demonstrieren. Konzernchef Joe Kaeser hatte dieser Tage am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos bei einem Dinner mit US-Präsident Donald Trump dessen Steuersenkungen für Unternehmen gelobt. Gewerkschafter befürchten, dass Siemens nun Betriebe aus Deutschland in die USA verlagern könnte. Kommentar Seite 4
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.