DDR-Reaktorblöcke verschwinden
Wer bezahlt den Abriss von AKW-Anlagen in Lubmin, die nicht unters Atomgesetz fallen?
Im stillgelegten Atommeiler in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) ist der Rückbau in eine neue Phase getreten. In der seit mehr als 20 Jahre laufenden Demontage werden die ersten zwei von acht Reaktorblöcken teilabgerissen. Mit Sägen ausgestattete Kräne rücken den monolithischen und landschaftsprägenden Betonhüllen der Blöcke 7 und 8 zu Leibe. Diese Blöcke des Kernkraftwerks waren seit 1979 errichtet, aber nie komplett ausgestattet worden, wie die Sprecherin des bundeseigenen Eigentümers EWN, Marlies Philipp, sagte. Sie gingen auch nie in Betrieb.
Mit Abschaltung des Kraftwerks und dem Baustopp verwaiste auch der 126 Meter lange und 50 Meter hohe Gebäudekomplex mit den Blöcken 7 und 8. Um zu verhindern, dass Betonteile herunterfallen, habe das Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN) nun im Zuge der Verkehrssicherungspflicht mit dem Teilabriss begonnen. »Die Sicherung ist dringend notwendig.« Die Kosten belaufen sich laut EWN auf einen niedrigen einstelligen Millionenbereich.
Nach Angaben des Unternehmens werden diese Kosten aus dem 6,6 Milliarden Euro schweren Rückbaufonds des Bundes lediglich vorfinanziert. Wer letztendlich den Abriss dieser Blöcke sowie der anderen von Radioaktivität befreiten und aus dem Atomgesetz entlassenen Gebäude bezahlt, ist offen. Da die Blöcke nie in Betrieb waren, unterstünden sie nicht dem Atomgesetz und seien damit auch nicht Teil des durchfinanzierten Rückbau-Projektes, sagte Philipp.
Das Land sieht die Verantwortung für den »konventionellen« Abriss weiterhin im Rahmen des atomrechtlichen Verfahrens und damit beim Bund. An der Position des Landes habe sich nichts verändert, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Kostenschätzungen für den Abriss der riesigen Stahlbetongebäude liegen bislang nicht vor. Vor etwa zehn Jahren hatte es Ideen für eine Nachnutzung der Blöcke 7 und 8 gegeben. Ein privater Investor wollte das Gebäude in einen Tauchturm umbauen und Wassersportler aus dem In- und Ausland nach Lubmin locken. Das Projekt stellte sich dann aber als nicht finanzierbar heraus.
Der Schornstein des Betonkomplexes war bereits 2017 abgerissen worden. Nun wird das etwa 50 Meter hohe Gebäude bis auf eine Höhe von 22 Metern abgetragen. Das Dach und die obere Hälfte bestünden aus schweren Stahlbetonplatten, würden auseinandergeschnitten, dann per Kran abgenommen und in einer Betonschredderanlage zerkleinert. Der Stahl gehe in den Schrott und werde eingeschmolzen. Der Beton werde recycelt, in der Regel für den Straßenbau.
Schon allein der Abriss des oberen Gebäudeteils sei kompliziert genug, sagte Philipp. Im unteren Teil der Blöcke befinde sich der Reaktorsaal mit etwa zwei Meter dicken Stahlbetonwänden. Dieser monolithische Betonblock sei an Ort und Stelle gegossen worden, der Rückbau gelte als schwierig. »Da gehen wir noch nicht ran. Mit diesem Rückbau kann man sich Jahre beschäftigen.«
Das Kernkraftwerk Lubmin war zwischen 1973 und 1990 in Betrieb und erbrachte mit einer Gesamtleistung von 1760 Megawatt einen Anteil von elf Prozent des Strombedarfs in der DDR. Wegen Sicherheitsbedenken wurden das AKW in Lubmin und das deutlich kleinere Atomkraftwerk in Rheinsberg nach dem Fall der Mauer abgeschaltet. In Lubmin wurde Atomstrom in fünf Blöcken erzeugt. Der mit kompletter Reaktortechnik ausgestattete Block sechs dient heute als Museum. 10 000 Besucher informieren sich dort jährlich über die Atomtechnik in der DDR. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.