DDR-Reaktorblöcke verschwinden

Wer bezahlt den Abriss von AKW-Anlagen in Lubmin, die nicht unters Atomgesetz fallen?

  • Martina Rathke, Lubmin
  • Lesedauer: 3 Min.

Im stillgelegten Atommeiler in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) ist der Rückbau in eine neue Phase getreten. In der seit mehr als 20 Jahre laufenden Demontage werden die ersten zwei von acht Reaktorblöcken teilabgerissen. Mit Sägen ausgestattete Kräne rücken den monolithischen und landschaftsprägenden Betonhüllen der Blöcke 7 und 8 zu Leibe. Diese Blöcke des Kernkraftwerks waren seit 1979 errichtet, aber nie komplett ausgestattet worden, wie die Sprecherin des bundeseigenen Eigentümers EWN, Marlies Philipp, sagte. Sie gingen auch nie in Betrieb.

Mit Abschaltung des Kraftwerks und dem Baustopp verwaiste auch der 126 Meter lange und 50 Meter hohe Gebäudekomplex mit den Blöcken 7 und 8. Um zu verhindern, dass Betonteile herunterfallen, habe das Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN) nun im Zuge der Verkehrssicherungspflicht mit dem Teilabriss begonnen. »Die Sicherung ist dringend notwendig.« Die Kosten belaufen sich laut EWN auf einen niedrigen einstelligen Millionenbereich.

Nach Angaben des Unternehmens werden diese Kosten aus dem 6,6 Milliarden Euro schweren Rückbaufonds des Bundes lediglich vorfinanziert. Wer letztendlich den Abriss dieser Blöcke sowie der anderen von Radioaktivität befreiten und aus dem Atomgesetz entlassenen Gebäude bezahlt, ist offen. Da die Blöcke nie in Betrieb waren, unterstünden sie nicht dem Atomgesetz und seien damit auch nicht Teil des durchfinanzierten Rückbau-Projektes, sagte Philipp.

Das Land sieht die Verantwortung für den »konventionellen« Abriss weiterhin im Rahmen des atomrechtlichen Verfahrens und damit beim Bund. An der Position des Landes habe sich nichts verändert, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Kostenschätzungen für den Abriss der riesigen Stahlbetongebäude liegen bislang nicht vor. Vor etwa zehn Jahren hatte es Ideen für eine Nachnutzung der Blöcke 7 und 8 gegeben. Ein privater Investor wollte das Gebäude in einen Tauchturm umbauen und Wassersportler aus dem In- und Ausland nach Lubmin locken. Das Projekt stellte sich dann aber als nicht finanzierbar heraus.

Der Schornstein des Betonkomplexes war bereits 2017 abgerissen worden. Nun wird das etwa 50 Meter hohe Gebäude bis auf eine Höhe von 22 Metern abgetragen. Das Dach und die obere Hälfte bestünden aus schweren Stahlbetonplatten, würden auseinandergeschnitten, dann per Kran abgenommen und in einer Betonschredderanlage zerkleinert. Der Stahl gehe in den Schrott und werde eingeschmolzen. Der Beton werde recycelt, in der Regel für den Straßenbau.

Schon allein der Abriss des oberen Gebäudeteils sei kompliziert genug, sagte Philipp. Im unteren Teil der Blöcke befinde sich der Reaktorsaal mit etwa zwei Meter dicken Stahlbetonwänden. Dieser monolithische Betonblock sei an Ort und Stelle gegossen worden, der Rückbau gelte als schwierig. »Da gehen wir noch nicht ran. Mit diesem Rückbau kann man sich Jahre beschäftigen.«

Das Kernkraftwerk Lubmin war zwischen 1973 und 1990 in Betrieb und erbrachte mit einer Gesamtleistung von 1760 Megawatt einen Anteil von elf Prozent des Strombedarfs in der DDR. Wegen Sicherheitsbedenken wurden das AKW in Lubmin und das deutlich kleinere Atomkraftwerk in Rheinsberg nach dem Fall der Mauer abgeschaltet. In Lubmin wurde Atomstrom in fünf Blöcken erzeugt. Der mit kompletter Reaktortechnik ausgestattete Block sechs dient heute als Museum. 10 000 Besucher informieren sich dort jährlich über die Atomtechnik in der DDR. dpa/nd

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