• Kultur
  • Porträts zum Ensemble der Berliner Schaubühne

Die Kunst der Annäherung

  • Frank Schirrmeister
  • Lesedauer: 3 Min.

Schauspieler zu porträtieren ist eine undankbare Aufgabe für jeden Fotografen. Allzu sehr sind es diese gewohnt, zu spielen und eine Rolle einzunehmen, aus der sie nur schwer herausfinden. Auf sich selbst zurückgeworfen, geraten viele Schauspieler in die Defensive, werden unsicher und überspielen diese Unsicherheit mit erhöhter Affektiertheit. Dagegen muss der Fotograf dann ankämpfen und seine Vision eines Porträts durchsetzen.

Vor dieser Aufgabe standen in den vergangenen fünf Jahren die Fotografen, welche alle Schauspieler der jeweiligen Spielzeit an der Berliner Schaubühne im Rahmen der jährlichen Spielzeitkampagne porträtierten. Die Idee kam von Thomas Ostermeier, dem inzwischen schon langjährigen Intendanten der Schaubühne. Zusammen mit seinen Öffentlichkeitsarbeitern entwickelte er die Kampagne, in der die Porträts der Schauspieler auf Großplakaten im Stadtraum präsentiert wurden. So erfolgreich war die erste Ausgabe in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Juergen Teller, dass die Idee noch viermal reproduziert wurde, jeweils mit einem anderen renommierten Bildkünstler. Neben dem für seine exzessiven Modefotos bekannten Teller konnte Ostermeier das Fotografenpaar Ute und Werner Mahler, den neuen Stern am Fotografenhimmel Pari Dukovic aus New York, die französische Porträtfotografin Brigitte Lacombe sowie den Magnum-Fotografen Paolo Pellegrin gewinnen, der eher für seine Bilder aus Kriegs- und Krisengebieten bekannt ist.

Nach fünf Jahren mit fünf Kampagnen sind alle Porträts nun in einem voluminösen und hochwertig gestalteten Bildband versammelt. Sogar wenn man die Schauspieler nicht kennt oder nie die Schaubühne besucht, ist das Buch von Interesse, erfährt man doch viel über die Herangehensweise von Fotografen. Bei den Schauspielern, die über mehrere oder alle der letzten fünf Jahre Mitglied des Ensembles waren, hat der Betrachter den direkten Vergleich. Auch wenn man die Wandlungsfähigkeit von Schauspielern in die Betrachtung einbezieht, ist es durchaus verblüffend, wie ein und derselbe Mensch so ganz unterschiedlich in Szene gesetzt werden kann. So sagen die Porträts mindestens genauso viel über den Fotografen wie über die Porträtierten aus. Die Bandbreite ist enorm; angefangen von der wilden, manchmal kitschig-bunten Knipserei Juergen Tellers über die überlegten, konzentrierten und ruhigen Schwarz-Weiß-Porträts der beiden Mahlers, die das Spektakuläre suchenden lauten Bilder Pari Dukovics, Brigitte Lacombes intime Nahaufnahmen der Schauspieler mit entblößtem Oberkörper bis zu den psychologisierenden, intensiven und Licht sehr gezielt einsetzenden Porträts Paolo Pellegrins.

Beim Vergleich der Bilder wird klar, dass ein fotografisches Porträt zwar erheblich mehr als nur ein Abbild ist, aber letztlich nicht wirklich zum Kern eines Menschen vordringen kann. Das fotografische Sein des Porträtierten wird vielmehr vom Bewusstsein des Fotografen bestimmt, und so etwas wie Objektivität gibt es in der Kunst eh nicht. So kann jedes Porträt nur eine vage Annäherung an die Persönlichkeit vor der Kamera sein. Oder wie es Ute Mahler in einem Interview formulierte: »Unser Ziel war es nicht, ein Porträt von Lars Eidinger zu machen - dazu kennen wir ihn zu wenig. Aber wir haben ein Porträt gemacht von der Person, die in diesem Moment vor uns saß und die er in diesem Moment ausgestrahlt hat.« Mehr kann und sollte man nicht erwarten.

Juergen Teller, Ute und Werner Mahler, Pari Dukovic, Brigitte Lacombe, Paolo Pellegrin: Schaubühne. Kerber Verlag, 352 S., 158 farbige Abb., geb., 48 €.

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