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  • Streit wegen "Nazischweine raus"-Ruf

Babelsberg bereit zur Klage gegen Ligaausschluss

Klub ließ Frist zur Zahlung einer Geldstrafe verstreichen / NOFV hält an seinem Urteil fest / Verein freut sich über Solidaritätsbekundungen aus Politik und von Fanszenen in ganz Deutschland

  • Lesedauer: 5 Min.

Der Konflikt zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) könnte an diesem Montag eine neue Eskalationsstufe erreichen: Der Verein hat die Frist zur Zahlung einer Geldstrafe unter anderem wegen des Rufes »Nazischweine raus« in der Nacht zu Samstag verstreichen lassen, der Verband pochte am Wochenende auf den Regularien, die bei Nichtzahlung der 7000 Euro einen Ausschluss der ersten Herren-Mannschaft aus der Regionalliga Nordost nach sich ziehen würde. Archibald Horlitz, Vorstandsvorsitzender des SVB, kündigte an, in diesem Fall vor ein Zivilgericht zu ziehen. Für seine Unnachgiebigkeit erhält der Kiezklub derweil von Fußballfans in ganz Deutschland und aus der Politik viel Zuspruch.

Der Verein wolle sich im Falle des Ligaausschlusses »sofort an ein ordentliches Gericht wenden«, sagte Vorstandschef Horlitz der »Welt«. Wie in den vergangenen Tagen in zahlreichen Interviews blieb Horlitz auch am Wochenende selbstbewusst: »Wir sind bereit, alle Register zu ziehen.« NOFV-Geschäftsführer Holger Fuchs kündigte zuvor gegenüber dem MDR an, dass es im Falle der Nichtzahlung einen Antrag an das Verbandsgericht des NOFV geben werde, »die Regionalligamannschaft vom Spielbetrieb der Regionalliga Nordost zu sperren«. »Es geht nicht anders. Die Glaubwürdigkeit des NOFV steht auf dem Spiel«, sagte der dem NOFV zugehörige DFB-Vizepräsident Erwin Bugar ebenfalls dem MDR.

Ausgangspunkt des Streits ist das Liga-Spiel zwischen Babelsberg und dem FC Energie Cottbus am 28. April 2017. Die Partie wurde mehrfach unterbrochen. Fans beider Vereine zündeten Pyrotechnik. Mehrere Cottbusser Anhänger stürmten den Platz und in Richtung der Heimfans. Während des Spiels waren aus dem Energie-Block antisemitische und rassistische Rufe zu hören. Mehrmals wurde im Gästeblock der Hitlergruß gezeigt. Der SVB war anschließend wegen Zündens von Pyrotechnik und des Rufes »Nazischweine raus« zu besagten 7000 Euro Strafe verurteilt worden.

Babelsberg verweigert dies mit der Begründung, dass das Urteil außer acht lasse, dass sich zunächst im Gästeblock strafrechtlich relevante Handlungen ereignet haben und der »Nazischweine raus«-Ruf eine Reaktion darauf gewesen sei. »Wir lassen uns nicht dafür bestrafen, dass wir uns hier zur Wehr setzen«, so Horlitz. Der Verein erkenne allerdings den Teil der Strafe an, »der sich auf den Einsatz von Pyrotechnik bezieht«.

Der Fanbeirat Babelsberg, ein von Fans gewähltes Gremium, stellte sich in einer Erklärung hinter die Vereinsführung und forderte die Vorsitzenden des NOFV zum Rücktritt auf. »In einem Verband, in dem der Einsatz gegen Diskriminierung bestraft wird und Nazis hofiert werden, darf es kein Weiter so geben.« Es sei an der Zeit »für einen Wechsel an der Spitze des NOFV«.

Der Konflikt war auch beim Rückrundenauftakt des SVB am Freitagabend im Karl-Liebknecht-Stadion Thema. Dabei fruchtete der Appell der SVB-Führung, Protest friedlich zu äußern. Fans von Babelsberg und der gastierenden BSG Chemie Leipzig zeigten Spruchbänder mit Kritik am NOFV. »Antisemitismus im Stadion? ‘Da wussten wir nichts von, schlicht und ergreifend’«, wurde Stephan Oberholz, Vorsitzender des Sportgerichts zitiert. Die Anhänger beider Vereine solidarisierten sich schließlich mit den Aussagen »Man muss Babelsberg nicht mögen, um den NOFV zu hassen« und »Man muss Chemie Leipzig nicht mögen, um den NOFV zu hassen«. Denn auch Chemie Leipzig sieht sich mit einem Urteil des NOFV-Sportgerichts konfrontiert, in das antisemitische und rassistische Äußerungen von von Seiten des Anhangs von Lok Leipzig unberücksichtigt blieben.

Das Geschehen geht derweil auch an der Babelsberger Mannschaft nicht spurlos vorbei, die womöglich ihre letzte Partie in dieser Saison absolvierte. Mit deutlichen Worten kritisierte Babelsbergs Trainer Almedin Civa den NOFV nach dem 4:0-Sieg seines Teams am Freitagabend. »Ich schäme mich aus meinem tiefsten Herzen mit solchen Menschen Kontakt haben zu müssen«, so Civa. Dass bei einem Fußballspiel der Hitlergruß gezeigt werde, sei »eine Beleidigung der Geschichte, eine Beleidigung der Menschen, die
damals gestorben sind.«

Unterstützung erhielt der SV Babelsberg 03 am Wochenende von einer ganzen Reihe von Fangruppen. Auf der Nord-Tribüne des SC Freiburg hieß es »Solidarität mit Babelsberg 03 - Nazis raus!« Auch Anhänger des FC Saarbrücken und von Fortuna Düsseldorf forderten den SVB zum Weiterkämpfen auf. Der Präsident des FC Sankt Pauli, Oke Göttlich, richtete sich mit einer Videobotschaft an den NOFV und forderte, das Urteil gegen Babelsberg zu überdenken. »Denn wir alle tragen dazu bei, dass rechtsoffene Gruppierungen und Rechtsextremismus im Fußball nichts zu tun haben«, so Göttlich.

Längst ist der Streit zwischen Babelsberg und dem Verband auch zu einem Politikum geworden. »Zeigt Euch solidarisch mit dem SV Babelsberg 03! Der Sport hat Werte und wer die offensiv vertritt, darf nicht finanziell fast vor dem Aus stehen«, erklärte der Ex-Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Kurznachrichtendienst Twitter. Seiner Nachricht fügte er die Kontoverbindung des Vereins hinzu. »Unterstützt den SV Babelsberg«, hieß es auch von Jutta Ditfurth. Des Weiteren stellte sich Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs hinter den Verein. »Ich kann dem NOFV nur raten, seine Position dringend zu überdenken«, so Jakobs gegenüber Radio Potsdam. Bereits beim Besuch des Spiels am Freitagabend sagte er dem rbb, das Urteil sei dringend revisionsbedrüftig. Es könne nicht sein, dass sich durch solch eine Entscheidung am Ende die Nazis und Rechtsradikalen gestärkt fühlen. kah

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