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»Wie eine Fliege am Fliegenfänger«
Ein Fahrradhändler kämpft mit großer Unterstützung gegen eine Kündigung seines Ladens
Wenn es um seinen Vermieter Gewobag geht, ist Stefan Neitzel, Betreiber der »fahrradstaion« mit vier Filialen in Berlin, nicht um klare Worte verlegen. Er steht mit Warnweste in seinem Laden in der Bergmannstraße in Kreuzberg, hebt die Hände und sagt dann Sätze wie, »das sind Bürokraten, die aus dem Hinterhalt schießen« oder »die lassen mich zappeln wie eine Fliege am Fliegenfänger«. Neitzel ist wütend, weil die Gewobag, Vermieter für seinen Fahrradladen in der Bergmannstraße 9, ihm letztes Jahr im Mai wegen Mietrückständen gekündigt hat. Anders als bei Mietwohnungen gilt bei Gewerbemietverträgen bereits ein Rückstand von mehr als einer Monatsmiete als Kündigungsgrund.
Neitzel bestreitet den Rückstand von einer Monatsmiete plus 160 Euro nicht, schränkt aber ein: »Der Rückstand bestand doch nur einen Tag, dann habe ich sofort überwiesen. Aber noch an diesem Tag schickte die Gewobag einen Kurier mit der Kündigung«. Das Landgericht Berlin bestätigte die Kündigung am 13. Dezember 2017. Eine außergerichtliche Verständigung habe die Gewobag abgelehnt, beklagt Neitzel. Die Gewobag-Pressestelle teilt dem »nd« auf Anfrage mit: »Wir haben mit diesem Mieter in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Konstellationen verhandelt. Nach vielen erfolglosen Versuchen, sehen wir keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.« Das Mietverhältnis sei bereits zwei Mal wegen »wiederholten Vertragsverstößen« gekündigt worden.
Stefan Neitzel steht nun ruhig in seinem Laden, spricht leise. Er sieht sich als Opfer der Verhältnisse. Dabei habe er sich immer sehr für den Kiez und die Akzeptanz des Fahrradverkehrs in Berlin eingesetzt, betreibe ehrenamtlich die Webseite bergmannstrasse.de. Die wirtschaftliche Basis für Fahrradläden und Fahrradverleih sei jedoch sehr schlecht geworden: »70 Prozent des Umsatzes machen Stadtler und Radhaus, 10 Prozent laufen übers Internet und für die über 400 kleinen Fahrradläden in Berlin bleiben 20 Prozent des Marktes übrig. Das ist ein hartes Geschäft, vor allem im Winter. Letztes Jahr im Mai hatte ich einfach nicht das Geld, um die Miete aufzubringen«. Anfang dieser Woche startete er eine Petition auf change.org, die mittlerweile von rund 32 000 Menschen unterstützt wird. Es gab einen Artikel in der »B.Z.«, und der rbb drehte einen Vormittag mit Neitzel. »Ich möchte nur ein moderiertes Gespräch mit der Gewobag«, sagt er.
Szenenwechsel. Gneisenaustraße 12. Hier trifft sich am Mittwoch Abend die Initiative »Wem gehört Kreuzberg«. Fünf AktivistInnen sitzen um zusammengeschobene Funiertische. Zwei Mieterinnen sind als Gäste anwesend, weil sie um ihre Wohnungen fürchten. Man ist schlecht zu sprechen auf Stefan Neitzel, sieht in ihm kein Opfer, sondern einen Täter. Er habe zwei Sozialwohnungen in der Bergmannstraße 9 gemietet, die er meist leer stehen lasse oder an Kurzzeitgäste vergebe. Außerdem besitze er im Mehringdamm zusammen mit seiner Frau ein Haus, in dem seine Frau eine Sprachschule betreibe, so ein Aktivist, der sich Werner Müller nennt. Wohnungen würden von Neitzel und seiner Frau kurzzeitig an Sprachschüler vermietet. Darum habe man eine dementsprechende Presseerklärung versandt.
Damit konfrontiert, bestreitet Stefan Neitzel die Existenz der Wohnungen nicht. Er arbeite dort, habe gelegentlich Gäste. Doch mittlerweile scheint er das Mietverhältnis auch kritisch zu sehen: »Meine Frau sagt immer, ich solle die Wohnungen kündigen, vielleicht gebe ich ihr nach. Wissen sie, die Wohnung ist irgendwie ein Stück Heimat für mich. Aber als Ferienwohnungen habe ich nie vermietet«. Die Gewobag teilt bezüglich der Wohnung im Hinterhaus mit: »Über die vertragsgemäße Nutzung der Wohnung läuft ein Gerichtsverfahren in zweiter Instanz«. Die erste Instanz habe man gewonnen.
Neitzel plant nun, sollte die Petition 50 000 Unterstützer erreichen, eine Fahrraddemo zu den Geschäftsräumen der Gewobag. »Wissen Sie, ich bin Optimist, ich hoffe auf Verständigung. Die Flucht nach vorn ist immer besser, als sich in die Ecke drängen zu lassen«.
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