Ein grünes Finanzsystem für Europa

Experten beraten über Maßnahmen, wie die Geldbranche in den Klimaschutz einbezogen werden kann

  • Christian Mihatsch, Chiang Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

1120 Milliarden Euro pro Jahr. So viel müssen die EU-Länder in erneuerbare Energien, energieeffiziente Gebäude und andere Klimaschutzmaßnahmen investieren, wenn sie die Ziele des Pariser Klimaabkommens für 2030 erreichen wollen. Die Summe entspricht 7,5 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung des Jahres 2016 und ist noch nicht voll finanziert. Genauer: Es fehlen noch 170 Milliarden Euro pro Jahr. »Die Größe dieser Investitionsherausforderung übersteigt bei Weitem die Kapazität der öffentlichen Hand«, sagt EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Dies gilt umso mehr, da auch in Artenschutz oder die Kreislaufwirtschaft investiert werden muss, wenn Europa nachhaltig werden soll. Helfen sollen daher die Finanz- und Kapitalmärkte. Wie das gelingen kann, hat eine Expertengruppe untersucht. In ihrem Abschlussbericht warnt sie allerdings: »In Anbetracht der Komplexität des Finanzsystems gibt es nicht einen einzelnen Hebel, mit dem man das System auf Nachhaltigkeit umstellen kann.«

Dass sich die Finanzmärkte hebeln lassen, ist erwiesen. Im Rahmen des Juncker-Plans wurden bislang Investitionen von 257 Milliarden Euro getätigt. Diese wurden durch Darlehen der Europäischen Investitionsbank EIB in Höhe von 51 Milliarden angestoßen. Die EIB hat ihre Mittel um den Faktor fünf gehebelt. Diese Erfahrung soll nun genutzt werden. Dazu sind aber Projekte erforderlich, die für Anleger attraktiv sind. Aus Sicht der Experten ist die Fähigkeit, solche Projekte zu entwickeln, der »entscheidende Flaschenhals«. Daher schlagen sie die Schaffung einer Organisation mit dem Namen »Sustainable Infrastructure Europe« vor, die die EU-Länder bei der Projektentwicklung unterstützt.

Anschließend soll eine einheitliche Klassifizierung nachhaltiger Investitionsprojekte dafür sorgen, dass die Manager von Pensionskassen, Versicherungen und Banken auch verstehen, wie »grün« eine Anlage eigentlich ist. Ein Beispiel dafür sind »Green Bonds«. 2017 wurden 155 Milliarden Dollar mit solchen Papieren bei Anlegern eingesammelt, 2018 könnten es 250 bis 300 Milliarden Dollar sein, wie die Climate Bonds Initiative (CBI) schätzt. Wie »grün« zugrunde liegende Projekte sind, lässt sich nur schwer sagen, da nur wenige Projekte extern zertifiziert sind. Dem soll die EU abhelfen, indem sie ihren eigenen Standard einführt, so die Experten. Als Gegenstück dazu sollen Firmen offenlegen, wie viele Emissionen sie verursachen und welche Folgen Klimapolitik für ihr Geschäft hätte. Dadurch soll verhindert werden, dass Firmen etwa in Kohlekraftwerke investieren, die vor Ablauf der Nutzungsdauer abgestellt werden müssen.

Ziel ist also, den Märkten langfristiges Denken beizubringen. Aus Sicht der EU-Experten besteht eine Diskrepanz zwischen dem kurzfristigen Gewinnstreben der Märkte und den langfristigen Bedürfnissen von Pensionskassen, aber auch der Umwelt. Bei einer UN-Konferenz zu nachhaltigem Investieren brachte dies Jeremy Grantham vom Investmentfonds Grantham Mayo Van Otterloo so auf den Punkt: »Es ist nicht schwierig, sein Portfolio abzusichern. Aber wir müssen nicht nur unsere Enkel und unseren Planeten, sondern sogar den Fortbestand unserer Spezies absichern.« Die EU solle daher die Treuhandpflichten von Investmentmanagern anpassen und diese verpflichten, den Zeithorizont ihrer eigentlichen Kunden wie Rentner bei Anlageentscheidungen zu berücksichtigen.

Der Bericht macht aber auch klar, dass die Märkte allein nicht das Klima retten können und auch politische Schritte wie ein festgelegter Preis je Tonne CO2 erforderlich sind. Der Leiter der Gruppe, Christian Thimann, glaubt, dass es inzwischen den ernsthaften Willen gibt, ein nachhaltiges Finanzsystem auch umzusetzen. Dass es dabei nicht nur um die Rettung des Klimas geht, lässt sich einer Aussage Dombrovskis entnehmen: Das Ziel sei, »Europa zum Gravitationszentrum für globale Investitionen in eine klimafreundliche und ressourceneffiziente Wirtschaft zu machen«. Im März soll ein Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem präsentiert werden.

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