- Berlin
- Brände in Lichtenberg
Ein Hochhaus in Angst
Vier Mal in fünf Tagen brennt es in einem Plattenbau-Komplex in Lichtenberg
In den Tagen davor war es stets das gleiche Muster gewesen. In den Flurgängen abgestellte Gegenstände wie Kinderwagen oder Papierkörbe gerieten in Brand. Auffällig dabei: Die Uhrzeit der Brände lag in allen vier Fällen jeweils zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr. Dass es bislang keine Verletzten gab, sei Glück gewesen, wie die Feuerwehr sagt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Am Montagnachmittag nahmen Ermittler des Landeskriminalamts einen 26-Jährigen fest. Nähere Angaben zum Tatverdächtigen machte die Polizei zunächst nicht.
»Ich habe wirklich Angst. Ich will hier nur noch weg«, sagt Mieterin Roestel. Seit 2007 wohnt die Rollstuhlfahrerin in dem Plattenbau. Auszugspläne hat sie schon seit langem. Doch sei es für sie als gehbehinderte Sozialmieterin schwer, eine passende Alternativwohnung im Kiez zu finden.
Das Wohnen in dem Hochhaus in der Landsberger Allee sei die reinste Zumutung. »Es ist dreckig, überall steht Müll herum. Der Aufzug ist uralt und fällt immer wieder aus«, schimpft Roestel. Seit die Deutsche Wohnen das Haus vor vier Jahren gekauft hat, seien die Zustände schlimm, erzählt die Anwohnerin. Vorher habe es einen Portier gegeben, der Tag und Nacht im Vorraum gesessen und regelmäßig kontrolliert habe, dass kein Sperrmüll auf den Gängen abgestellt wird. Den Portier hat die Wohnungsbaugesellschaft angeblich weggekürzt. Eine Mieterhöhung gab es trotzdem. Roestel zahlt für ihre Zweiraumwohnung ohne Balkon 509 Euro im Monat.
Am Montag hatte eine andere Mieterin des Wohnhauses Berichten der »Berliner Zeitung« zufolge Schmierereien mit einer möglichen Verbindung zu der Brandserie entdeckt. Auf Handyfotos ist der in falschem Deutsch an eine Wand des Hauses geschmierte Schriftzug »Das Haus wird brennen« zu sehen. Ein weiteres Foto zeigt ein offenbar mit demselben Stift geschmiertes Hakenkreuz. Könnten die Brandstifter also aus dem rechtsextremen Milieu stammen? Immerhin wohnen in dem Hochhaus viele arabische und vietnamesische Familien. Ob der festgenommene Tatverdächtige Verbindungen zur rechten Szene hat oder ein Mieter des Hauses ist, war bis Redaktionsschluss nicht bekannt.
Fallak Abdo ist es letzten Endes egal, wer hinter den Bränden steckt. Sie will ausziehen. »Die Brände sind nur der Gipfel des Eisbergs. Hier passiert jeden Monat irgendetwas«, sagt Abdo, die mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn seit vier Jahren im 13. Stock des Hochhauses wohnt. »Wir wissen ja nicht, was als Nächstes kommt. Wir wollen nur noch weg.«
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