Justizfarce unter den Augen der EU

Martin Ling über die fragwürdige Rechtsauslegung in Spanien

Die Justizfarce in Spanien geht weiter: Der Oberste Gerichtshof hat einen Haftbefehl gegen die katalanische Ex-Abgeordnete Anna Gabriel erlassen. Wohlweislich begrenzt auf spanisches Hoheitsgebiet, denn Bestand würde er in keinem anderen Land der EU haben: Straftatbestände wie Aufruhr und Rebellion sind dort nämlich an den Einsatz von Gewalt geknüpft - in Spanien reichen Unabhängigkeitsbestrebungen mit friedlichen Mitteln.

Gabriel von der linksradikalen CUP ist fraglos eine glühende Verfechterin der Unabhängigkeit Kataloniens, mehr getan als diese Position im Parlament und darüber hinaus offen vertreten hat sie jedoch nicht. Als gewöhnliche Abgeordnete war sie auch nicht Teil der Regierung, die am 1. Oktober das Referendum ohne Billigung der Zentralregierung in Madrid durchführte. Weil sie von Spanien keinen fairen Prozess erwartet, hat sie sich vorsorglich ins Schweizer Exil begeben. Fünf Mitglieder der vergangenen Regierung von Carles Puigdemont sitzen im Exil in Belgien, vier prominente Unabhängigkeitsbefürworter in Untersuchungshaft. Wer glaubt, dass es nur die Rädelsführer trifft, ist schief gewickelt. An die 900 Menschen sehen sich bereits Ermittlungen ausgesetzt oder stehen unter Anklage. Kein Vergleich zur Türkei, aber dasselbe Strickmuster. Wer sich nicht unterwirft, dem droht der Kadi. Und die EU sieht zu.

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