Niederlage für ukrainische Justiz im Fall Kotsaba

Der Kiew-kritische Journalist wurde wegen Aufrufs zur Kriegsdienstverweigerung verurteilt, später freigelassen / Nun steht er wieder vor Gericht

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Januar 2015 veröffentlichte der ukrainische Journalist und Blogger Ruslan Kotsaba auf YouTube einen Aufruf, der sich gegen die damalige erste Welle der Mobilisierung angesichts des Krieges im Donbass richtete. In dem Video rief Kotsaba in erster Linie dazu auf, die Einberufung in die ukrainische Armee zu boykottieren. Wegen des Aufrufs zur Kriegsdienstverweigerung wurde der heute 51-Jährige schließlich festgenommen und bekam im Mai 2016 eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Ein Berufungsgericht sprach Kotsaba nach wenigen Monaten frei, allerdings musste der Kiew-kritische Journalist bis dahin 524 Tage hinter Gittern verbringen.

Obwohl die Position Kotsabas - dem in der Ukraine oft Sympathien oder gar Zusammenarbeit mit Russland vorgeworfen wird - sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes polarisierte, stellten sich internationale Menschenrechtsorganisationen an die Seite des aus Iwano-Frankiwsk stammenden Journalisten. »Kotsaba wurde für die Äußerung seiner Position verhaftet. Das ist genau das Gegenteil dessen, wofür die Maidan-Revolution gekämpft hat«, war unter anderem von Transparency International zu hören. Trotzdem ist der Fall Kotsaba immer noch nicht Vergangenheit. Denn das Oberste Gericht der Ukraine hat den Freispruch im Juli 2017 aufgehoben, weswegen das Verfahren gerade fortgesetzt wird.

Das vorerst zuständige Gericht in Bohoradtschany gab das Verfahren jedoch zurück an Kiew, seitdem ist das Bezirksgericht Dolyna mit dem Fall befasst. Seit diesem Montag sollten vor Gericht in Dolyna Anhörungen stattfinden, die sich allerdings als relativ kurz erwiesen. Denn die Anklageschrift wurde von dem Richter zurückgewiesen - und zwar deswegen, weil darin die eigentliche Anklage fehlt. »Die Anklage ist nicht gemäß der ukrainischen Gesetzgebung formuliert worden«, hieß es in der Mitteilung des Gerichts. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Chance, die Mängel zu beseitigen und eine neue Anklageschrift beim Gericht einzureichen.

»Man hat schon das Gefühl, dass die Machthaber um Poroschenko gewisse Signale aus dem Westen erhalten haben«, kommentierte der sich zum Zeitpunkt der eher überraschenden Entscheidung in Prag befindende Kotsaba die Zurückweisung der Anklageschrift. Tatsächlich ist gerade in seinem Fall der Druck des Westens relativ groß gewesen, zumal neben Transparency International auch Amnesty International sich für den 51-Jährigen einsetzt. In der Ukraine bleibt das Image Kotsabas allerdings zweifelhaft. Seine Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Fernsehsender Kanal 17, der als prorussisch gilt, und mit dem staatlichen russischen Fernsehen sorgt für die Kritik der ukrainischen Zivilgesellschaft.

Nun bleibt vor allem die Frage, wie dieses Hin und Her um Kotsaba weitergehen wird. Ursprünglich war nicht damit zu rechnen, dass das Verfahren wieder geöffnet wird, nur damit ein Bezirksgericht die Anklageschrift als nicht zufriedenstellend zurückweist. Allerdings ist gerade in diesem Fall vieles von dem Druck der internationalen Gemeinschaft abhängig, was jedoch typisch für die Ukraine ist.

Und dieser Druck kommt aus der EU und teilweise auch aus Deutschland. »Mit dem Verfahren gegen Kotsaba zeigt die ukrainische Justiz, wie sie gegen die Kritiker der Kiewer Politik vorgeht«, betont man in der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK. »Wir fordern die sofortige Einstellung des erneut eröffneten Verfahrens.«

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