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  • Niederlage für Victor Orban

Hoffnung für Ungarns Opposition

Kandidat Peter Marki-Zay gewinnt unerwartet Kommunalwahl in Fidesz-Hochburg

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.

Die dunkle Vorahnung des Wahldebakels hatte den bekanntesten Sohn der ungarischen Provinzstadt Hodmezövarsarhely (Neumarkt an der Theiß) offenbar schon bei der Stimmabgabe beschlichen. Unermüdlich war Janos Lazar, der umtriebige Kabinettschef von Premier Viktor Orban, in den letzten Wochen vor der Bürgermeisterwahl in seiner Heimatstadt im Wahlkampfeinsatz. Doch am Wahltag mied das wortgewaltige Sprachrohr der rechtspopulistischen Fidesz-Partei völlig ungewohnt die sonst von ihm so gerne aufgesuchten Mikrofone.

Zur fassungslosen Sprachlosigkeit hatten die siegesgewohnten Fidesz-Barone nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend erst recht allen Grund: Ausgerechnet in ihrer Hochburg gab der unabhängige, von der Opposition unterstützte Peter Marki-Zay mit 57,7 Prozent dem Fidesz-Hoffnungsträger Zoltan Hegedüs (41,5 Prozent) klar das Nachsehen.

Die Schockschlappe bei der Testwahl trifft Fidesz-Chef Orban sechs Wochen vor der Parlamentswahl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn ein von der EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) aufgedeckter Korruptionsskandal bei der Anschaffung von Straßenlampen wirft auf die vermeintliche Lichtgestalt immer größere Schatten. In die manipulierten Ausschreibungen von über 30 Gemeinden soll nicht nur Orbans Schwiegersohn Istavan Tiborcz, sondern auch sein Kabinettschef Lazar als früherer Bürgermeister von Neumarkt an der Theiß verwickelt gewesen sein.

Den Umfragen zufolge schien Fidesz mit einem prognostizierten Stimmenanteil von etwas mehr als 50 Prozent lange einem sicheren Wahlsieg entgegen zu segeln - und dank eines maßgeschneiderten Wahlrechts zum dritten Mal in Folge eine Zweidrittelmehrheit der Mandate einfahren zu können. Doch nach dem spektakulären Erfolg bei der Testwahl schöpft die gebeutelte und geteilte Opposition wieder etwas Hoffnung: Bei einem besser koordinierten Auftreten könnte sie Fidesz am 8. April Direktmandate abjagen und damit zumindest dessen Zweidrittelmehrheit verhindern.

Eine »neue Ära« habe begonnen, glaubt der frischgebackene Bürgermeister Marki-Zay: Die Umfragen, die einen klaren Fidesz-Sieg prognostizierten, könne man getrost »in den Papierkorb werfen«. Dass sich wie in Neumarkt an der Theiß von der rechtsradikalen Jobbik bis zur sozialistischen MSZP alle Oppositionsparteien gegen Fidesz verbünden, scheint landesweit nach wie vor zwar eher ausgeschlossen. Doch schon eine Absprache zwischen den linken und liberalen Oppositionsparteien, gemeinsam ihren jeweils aussichtsreichsten Direktkandidaten zu unterstützen, könnte deren Anhänger zu einer höheren Wahlbeteiligung mobilisieren und letztlich der rechtspopulistischen Fidesz die entscheidenden Direktmandate kosten.

Fidesz gehe noch immer als Favorit in die Wahl, aber die Opposition habe »unerwarteten Auftrieb« erhalten, umschreibt der Budapester Analyst Attila Tibor Nagy die neue Ausgangslage: »Dies ist eine demütigende Niederlage für Fidesz und ein Hoffnungsschimmer für die Opposition, dass sie Orban mit Absprachen in den Wahldistrikten schlagen kann.«

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