Juncker auf Balkantour
Sorge vor steigendem Einfluss von Moskau und Peking
Bei seiner am Sonntag in Mazedonien begonnenen Westbalkan-Reise will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht nur die neue EU-Erweiterungsstrategie vorstellen, sondern auch die EU-Anwärter bei ihrem Beitrittsmarathon ermutigen. Seit dem Aufnahmegelübde für die darbenden Balkanbrüder beim EU-Gipfel von Thessaloniki 2003 ist die einst große Begeisterung für die EU in deren Dauerwarteschleife zwar merklich abgeflacht. Doch alle sechs der EU-Anwärter haben nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen weiter den Kurs in Richtung von Europas kriselndem Wohlstandsbündnis gesetzt. Um die auch von Moskau, Peking und Ankara umworbenen Problemkinder bei der Stange zu halten, setzt die EU nun auf vermehrtes Zuckerbrot.
Den am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten Montenegro und Serbien hat Brüssel mit 2025 erstmals ein mögliches Beitrittsdatum genannt. Albanien und Mazedonien wird der Auftakt der Verhandlungen noch in diesem Jahr in Aussicht gestellt. Mit möglichen Assoziierungsabkommen hofft Brüssel den Kosovo und Bosnien und Herzegowina zu größeren Reformanstrengungen zu bewegen. Nur wenn die Anwärter die strengen Kriterien bei der Bekämpfung von Korruption, Stärkung des Rechtsstaats und Sicherung der Medienfreiheit erfüllten, sei mit der Aufnahme von neuen Mitgliedern zu rechnen.
Bei den EU-Altmitgliedern ist die Begeisterung für neue Erweiterungsrunden begrenzt. Der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen (SPD) etwa sieht einen Beitritt der sechs Westbalkanstaaten zur Europäischen Union skeptisch. Es sind dennoch vor allem strategische Überlegungen, die Brüssel wieder ins Erweiterungshorn blasen lassen. Es ist nicht nur die Angst vor neuen Konflikten in der Region, sondern auch die verstärkte Konkurrenz, die in Brüssel das lange erlahmte Interesse am problembeladenen Wartesaal neu erwachen lässt. Vor allem China, aber auch die Türkei mühen sich mit Billigkrediten, Investitionen und Infrastrukturprojekten um neue Verbündete in der Region. Russland wiederum hat auch aus sicherheitspolitischen Gründen vor allem in Serbien, aber auch im bosnischen Teilstaat der Republika Srpska seine diplomatischen und medialen Aktivitäten in den letzten Jahren verstärkt.
Aus Stabilitätsgründen, aber auch Mangel an Alternativen setzt die EU in ihrem Vorhof auch auf eher fragwürdige Ränkeschmiede als Partner. Doch ob Vetternwirtschaft, organisierte Kriminalität oder die autoritäre Gängelung der Medien und Opposition: Von rechtsstaatlichen Verhältnissen scheinen die meisten EU-Anwärter noch Lichtjahre entfernt. Obwohl Kritiker bezweifeln, ob die Furcht vor Moskaus Einfluss und das Streben nach Stabilität das richtige Rezept beim Umgang mit den Strippenziehern auf dem Westbalkan sind, sieht Brüssel zu der langfristigen Einbindung der Region keine Alternative. Die EU habe die Wahl, »entweder Stabilität zu exportieren oder Instabilität zu importieren«, so der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn.
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