- Berlin
- Kältehilfe
Weitere 100 Notschlafplätze für Obdachlose
Angesichts der eisigen Temperaturen hat der Senat die Übernachtungsplätze im Flughafen Tempelhof aufgestockt
Bis auf minus 14 Grad Celsius sinkt in Berlin die Temperatur laut Wettervorhersage in den nächsten Tagen. Was für die meisten Menschen höchstens lästig ist, kann für die schätzungsweise 6000 Obdachlosen in der Hauptstadt tödlich sein. Aus diesem Grund hat der Senat am Sonntag in Hangar 3 auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof 100 weitere Notschlafplätze zur Verfügung gestellt. Das teilte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) am Montag dem rbb-Inforadio mit. Die Plätze der Berliner Kältehilfe seien zu gut 90 Prozent ausgelastet, bei Überbelegung würde die Einrichtung bedarfsweise geöffnet, so Breitenbach. Insgesamt gibt es damit in Berlin derzeit 1200 Notschlafplätze für obdachlose Menschen.
Ulrich Neugebauer, Leiter der Notübernachtungen der Berliner Stadtmission, begrüßt die zusätzlichen Plätze, glaubt jedoch nicht, dass sie das Problem insgesamt lösen. Die Berliner Stadtmission betreibt im Rahmen der Kältehilfe mehrere Notübernachtungen sowie Kältebusse, die die Wohnungslosen auf der Straße aufsuchen und auf Wunsch zu einer Notübernachtung fahren. Die seien auch in Tagen, an denen es nicht so kalt ist, meist überbelegt. »Im Moment sind wir bei 170 Leuten täglich - bei 121 Plätzen«, so Neugebauer. Abgewiesen werde jedoch keiner. Seit Sonntag hätten sie einen dritten Kältebus, um die vielen Anfragen bewältigen zu können.
Das Problem sei jedoch, dass viele Obdachlose nicht in die Einrichtungen der Kältehilfe gehen wollen - aus den unterschiedlichsten Gründen. »Wir haben eine hohe zweistellige Zahl von Menschen, die wir draußen betreuen und die nicht mitkommen, auch nicht bei der Kälte.« Zudem fehlten bedarfsgerechte Einrichtungen. »Es gibt in den letzten Jahren einfach viel mehr Gruppen mit einem Hilfebedarf, der nicht durch die allgemeinen Einrichtungen der Kältehilfe gedeckt wird.« Eine einfache Aufstockung der Plätze reiche da nicht aus. So habe die Berliner Stadtmission in dieser Saison bis zu 18 RollstuhlfahrerInnen betreut. Dafür bräuchte es jedoch eigentlich geschultes Pflegepersonal. Die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen seien damit oft überfordert und müssten Aufgaben übernehmen, für die sie gar nicht ausgebildet sind.
Der rot-rot-grüne Senat hat sich vorgenommen, genau das zu ändern. Laut Koalitionsvertrag sollen zumindest ganzjährige Unterbringungs- und Vermittlungseinrichtungen bedarfsgerecht ausgebaut werden. Um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, wollte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montagabend die Notübernachtung des mob e.v. in der Storkower Straße besuchen. Die ist - ebenso wie vier weitere Notunterkünfte - im Gegensatz zu Einrichtungen der Kältehilfe ganzjährig geöffnet.
Für Mara Fischer von der Notübernachtung mob e.V. ist die Kältehilfe nicht das geeignete Instrument, um die Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Wenn sie am 31. März endet, breche die gesamte Struktur weg, und der Verteilungskampf um die rund 150 verbliebenen Betten beginne. »Die Menschen sind dann ja immer noch obdachlos und brauchen immer noch ein Dach über dem Kopf und möchten duschen, schlafen und essen.« Die Kältehilfe sei wichtig, um die Menschen vor dem Erfrierungstod zu bewahren, sie sei aber nur eine kurzfristige Lösung. An dem strukturellen Problem und der Frage, wie die Menschen wieder in die Gesellschaft integriert werden könnten, ändere sie jedoch nichts.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.