Römische Krise

Italiens Banken bereiten vielen Europäern wegen eines Bergs an faulen Krediten Sorgen - ist ein Euro-Austritt die Lösung?

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Lucio Baccaro gehört zu den wenigen Italienern, die in Deutschland einen prominenten Posten besetzen. Der neue Direktor am renommierten Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln überraschte in dieser Woche in einem Zeitungsinterview mit dem Ansinnen, sein Heimatland solle aus dem Euro austreten. Es sei ein Fehler gewesen, dem Währungsverbund überhaupt beizutreten. »Sollte Italien über einen Ausstieg verhandeln?«, fragte Baccaro rhetorisch. »Im Großen und Ganzen: ja!«

Wie sich Griechenland innerhalb des Euro entwickelt habe, sei ein Desaster, Italien sei das zweitgrößte Desaster. Statt in der »Premier League« spiele Italien heute zweitklassig: Die Produktivität der Unternehmen stagniere seit zwei Jahrzehnten, die Wirtschaft wachse langsamer als die deutsche oder französische und die Staatsschuldenquote sei mit mehr als 130 Prozent doppelt so hoch wie etwa in der Bundesrepublik. Der Sozialwissenschaftler erhofft sich - gänzlich unoriginell - von einer Rückkehr zur (schwachen) Lira und entsprechenden Wechselkursanpassungen, dass Italiens Wirtschaft im internationalen Vergleich ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinne.

Die Zahlen geben Baccaro allerdings nur bedingt Recht. Italiens Wirtschaft wuchs 2017 um 1,5 Prozent. Für eine entwickelte Volkswirtschaft eine beachtliche Steigerungsrate. Und auch für dieses und das kommende Jahr erwarten Analysten hohe Wachstumsraten. Die Investitionen in Maschinen und Anlagen nehmen stark zu. Auch der Privatverbrauch entwickelt sich positiv. Der Export bleibt dynamisch.

Ihren großen Nachbarn hinken die 60 Millionen Italiener allerdings allerdings hinterher: bei den Wachstumsraten und bei der Arbeitslosenquote, die mit über 11 Prozent noch immer deutlich höher ist als selbst in Frankreich (9,5 Prozent). Und die öffentlichen Investitionen stagnieren weiterhin. Solche strukturellen Probleme wie auch die weit verbreitete Korruption in der Wirtschaft tragen zu der Unzufriedenheit vieler Italiener bei und beflügeln Anti-Elite-Gruppierungen wie die rechte Lega oder die Fünf-Sterne-Bewegung des Kabarettisten Beppe Grillo.

Innerhalb der Eurozone gelten ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der Finanzkrise vor allem Italiens Banken als strukturelles Problem. In Rom durchleuchtete ein Untersuchungsausschuss des Parlaments (vergeblich) die schleichende Krise des Finanzsektors: Sieben italienische Banken waren in den vergangenen Jahren zusammengebrochen und wurden unter umstrittenen Umständen vom Staat und der Europäischen Zen-tralbank (EZB) gerettet.

Es ist vor allem das Kreditgeschäft, welches den Finanzaufsehern Sorgen bereitet. In keinem EU-Land haben Banken mehr faule Kredite als in Italien: Von 759 Milliarden Euro in der Eurozone, die als ausfallgefährdet gelten, entfallen laut EZB 196 Milliarden allein auf Italien. Der Anteil der faulen Kredite am gesamten Kreditvolumen beträgt 11,9 Prozent - in Frankreich sind es 3,3 und in Deutschland 2,0 Prozent.

Die Kreditschwäche könnte zum Problem werden, wenn die Konjunktur sich wieder abschwächt und noch mehr Firmen ihre Kredite nicht mehr bezahlen können. Dann droht in Italien eine Bankenkrise, die auch den Euro treffen könnte.

Die schlummernden Gefahren lassen Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan allerdings ruhig schlafen: »Ich sehe keine Bankenkrise in Italien.« Betroffen seien nur sechs von 600 Banken. »Italien ist widerstandsfähig«, sagte Padoan dem »Deutschlandfunk«, und sei trotz vieler Probleme noch nie »explodiert«. Zumindest auf den Finanzmärkten sieht man das ähnlich: Italiens größte Bank Unicredit (in Deutschland: Hypo-Vereinsbank) ist an der Börse weit mehr wert als die Deutsche Bank.

Vorsichtshalber fordert Roms Zentralbank Banca d’Italia aber Eurobonds, um das Risiko von Bankenkrise und Finanzmarktturbulenzen zu verringern. Eine solche Vollendung der Bankenunion stößt allerdings in der deutschen Regierung auf keine Gegenliebe. Zuerst müssten die von Banken ausgehenden Risiken reduziert und faule Kredite abgebaut werden, sagte Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) kürzlich am Rande eines Treffens mit seinen Amtskollegen in Brüssel.

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