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Mit Organisierung an die Spitze
Teil zwei der Serie zu den Westbezirksverbänden der Linkspartei: Neukölln
An der Wand hängen Plakate mit der Aufschrift »Menschen vor Profite« und »Nazis raus«. Auf einem Tisch steht ein großer Samowar. In der Mitte, neben einem ovalen Tisch, stapeln sich Pappkartons mit frisch gedruckten Flugblättern, Plakaten und Aufklebern. Die Bezirksgeschäftsstelle der LINKEN Neukölln mit ihren Räumen in der Wipperstraße ist ein einziges großes Materiallager. »Wenn wir neue Aufkleber haben, sieht man die bald überall im Kiez an Laternenmasten und jeder zweiten Ampel«, sagt Moritz Wittler. Der gebürtige Hesse, der 2008 zum Studieren nach Berlin gekommen war, ist einer der beiden Sprecher des Bezirksverbandes Neukölln der Sozialisten. Wie in anderen Bezirken gibt es zwar auch in Neukölln einen Vorstand, aber keine Vorsitzenden, sondern eine Doppelspitze aus einer Sprecherin und einem Sprecher.
Mit seinen Straßenaktionen wie etwa Lautsprecherfahrten durch den Kiez im Wahlkampf, Unterschriftensammlungen für das Krankenhaus-Volksbegehren, regelmäßigen Infoständen im Kiez und sogenannten Organizing-Ansätzen ist die Neuköllner LINKE seit einigen Jahren sehr erfolgreich unterwegs. In Nordneukölln beispielsweise lag die Partei bei der letzten Bundestagswahl, aber auch der Abgeordnetenhauswahl in großen Teilen Nordneuköllns sogar vorne. »Da hat sich die SPD ziemlich erschrocken«, sagt Wittler.
Eine aktuelle Kampagne fährt der Bezirksverband in der Gropiusstadt. Hier im Süden des Bezirks, genau wie in Rudow, erzielt die LINKE zwar auch gute Wahlergebnisse, es gibt aber bei weitem nicht so eine gute Organisierung in Basisorganisationen wie im nördlichen Teil des Bezirks. »Da ziehen wir von Haustür zu Haustür und organisieren Mieter gegen die Wärmedämmungsmodernisierungen«, sagt Wittler. Die Mieter der Großsiedlung haben vor einiger Zeit Sanierungsankündigungen erhalten und haben nun große Angst vor Mieterhöhungen. Kern des aus der internationalen Gewerkschaftsbewegung entlehnten Organizing-Ansatz ist die Mitgliedergewinnung.
Wie auch anderswo in Berlin funktioniert das in Neukölln besonders hervorragend: Allein im vergangenen Jahr schlossen sich 150 neue Mitglieder der Partei an. Rund 500 Mitglieder hat die LINKE insgesamt in Neukölln. Mit den Eintritten verändert sich auch der Bezirksverband, denn viele der Neuen sind sehr jung. Dadurch verlieren auch innerparteiliche Strömungszugehörigkeiten an Relevanz. In den vergangenen Jahren wurde den Neuköllner von den Medien gerne die Rolle der Fundamentalopposition innerhalb der LINKEN zugeschrieben. Als es Ende 2016 etwa um die Frage einer erneuten Regierungsbeteiligung der Partei im Senat ging, kamen die lautesten Vorbehalte von Vertretern der Neuköllner Sozialisten. In diesem Verband ist auch die Strömung »Marx21« besonders stark. Moritz Wittler, der selber auch in dieser Strömung mitarbeitet, ärgern solche Zuschreibungen jedoch: »Ein großer Teil der Aktiven ist nicht bei Marx21«, sagt er. Auch für ihn persönlich spiele das keine so große Rolle. Und im Vergleich mit anderen Bezirksverbänden gebe es in Neukölln eine viel lebendigere Debatte, ist sich der Sprecher sicher.
Diskussionsveranstaltungen, Lesungen und Informationsabende wie zum Beispiel zur Clubkultur oder zu rechtsextremen Angriffen werden inzwischen auch regelmäßig in Neukölln im »RigoRosa« veranstaltet. Dieses »offene Abgeordnetenbüro« haben die seit der vergangenen Wahl im Abgeordnetenhaus vertretenen Linkspartei-Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader aus Neukölln eingerichtet. »Die arbeiten mit, machen hier ihre Veranstaltungen und powern übers Büro«, sagt Wittler dazu. Eine gewisse Distanz ist spürbar, als es seinerzeit um die Aufstellung der Landesliste ging, hatte der Bezirksverband zwei andere Kandidaten ins Rennen geschickt, die letztlich aber in Kampfkandidaturen um aussichtsreiche Plätze zum Teil äußerst knapp scheiterten.
Doch die Debatten von damals spielen in Neukölln derzeit allenfalls eine untergeordnete Rolle. Vielmehr steht der Bezirksverband aktuell mehr denn je zusammen: Immer wieder greifen Neonazis in Neukölln an. Zum Ziel der Attacken wurde auch der LINKE-Bundestagskandidat Ferat Kocak aus Neukölln, dessen Auto von Rechtsextremen angezündet wurde. Zu einer großen Kundgebung kamen am Wochenende danach einige hundert Menschen zusammen, um Solidarität zu zeigen. »Im Süden Neuköllns haben wir es mit Terror zu tun«, sagte Witter bei seiner Rede auf der Kundgebung. Der Kampf gegen Rechts beschränkt sich in Neukölln aber nicht nur auf Proteste gegen Neonazis. Für die LINKE in Neukölln, auch besonders in der Bezirksverordnetenversammlung, ist es auch ein Kampf gegen die AfD. Und auch da gab es bereits Erfolge, immerhin trat der Stadtrat der Rechten bereits aus.
Einen Austritt musste unterdessen auch die LINKE in Neukölln selbst verkraften, die Bezirksverordnete Marina Reichenbach wechselte zur SPD. Jetzt ist die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung nur noch mit sechs Verordneten vertreten, die nach eigenem Bekunden »konsequent für linke Politik auf kommunaler Ebene« streiten.
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