Schiedsklauseln nicht erwünscht
EuGH urteilt über Investitionsschutz in innereuropäischen bilateralen Verträgen
Investorenschutz in Handelsverträgen steht seit längerem in der Kritik. Am Dienstag entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg über Schiedsklauseln in bilateralen Verträgen zwischen EU-Staaten. Viele dieser Verträge wurden in der 1990er Jahren zwischen den östlichen Staaten, die heute Mitgliedsländer sind, und den schon damals der EU angehörigen Staaten abgeschlossen. Im konkreten Fall ging es um einen Vertrag zwischen der Tschechoslowakei und den Niederlanden. Das Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen, kurz BIT, wurde 1991 abgeschlossen und später von der Slowakei übernommen. Streitpunkt ist die Klage eines Krankenversicherungskonzerns.
2004 war die Slowakei der EU beigetreten und hatte im gleichen Jahr ihren Krankenversicherungsmarkt für private Unternehmen geöffnet. Achmea, ein zu einem niederländischen Versicherungskonzern gehörendes Unternehmen, gründete daraufhin ein Tochterunternehmen in der Slowakei, um dort Krankenversicherungen anzubieten. Zwei Jahre später entschied die Regierung in Bratislava, die Liberalisierung zurückzunehmen, und verbot dem Unternehmen dabei auch, Gewinne auszuschütten.
Auf der Grundlage des Abkommens zwischen den Niederlanden und der Slowakei leitete Achmea 2008 ein Schiedsverfahren ein und machte verlorene Gewinne geltend. Ein Schiedsgericht in Frankfurt am Main entschied gegen die Slowakei und verurteilte sie zu Schadensersatz von 22,1 Millionen Euro. Mit dem Ziel, diesen Schiedsspruch aufzuheben, klagte das Land vor deutschen Gerichten. Das ist möglich, weil sich beide Länder auf Frankfurt am Main als Ort des Schiedsgerichtes geeinigt hatten. Durch mehrere Instanzen landete der Fall schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der sich mit der Frage an den Europäischen Gerichtshof wandte.
Nach Auffassung des EuGH verstößt die Schiedsklausel des bilateralen Vertrages gegen Unionsrecht. Unterstützt wird das Gericht in Luxemburg dabei von mehreren osteuropäischen Ländern sowie Italien, Griechenland, Spanien und Zypern. Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Finnland und Österreich halten die Klauseln dagegen für gültig. Auch der Generalanwalt des EuGH, Melchior Wathelet, hatte in seinem Schlussantrag dafür plädiert, dass die Schiedsklausel mit dem Unionsrecht vereinbar sei.
Dem folgten die Richter nicht. Schiedsgerichte hätten am Binnenmarkt nichts zu suchen, weil sie die «Autonomie des Unionsrechts» verletzten. Demnach könne ein innereuropäisches Schiedsgericht nicht als Gericht eines Mitgliedsstaates gemäß EU-Recht eingestuft werden. Seine Urteile passen somit nicht in das fein austarierte Rechtsgefüge der Union. Folglich sei es nicht gesichert, dass «ein solches Gericht in der Lage ist, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Über das weitere Vorgehen muss nun der Bundesgerichtshof entscheiden.
Die LINKE begrüßte die Entscheidung. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Klaus Ernst, verwies auf mögliche Folgen des Urteils auf die Schadenersatzklagen der Stromkonzerne nach dem deutschen Atomausstieg. Zudem stelle das Urteil die Rechtmäßigkeit der fast 200 Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten mit ähnlichen Klauseln in Frage.
Die Organisation »Mehr Demokratie« forderte alle EU-Mitgliedstaaten auf, nun »ihre Investitionsschutzabkommen mit anderen Mitgliedsländern zu kündigen«. LobbyControl bewertete das Urteil als »Anfang vom Ende einseitiger Konzernklagerechte in Europa«.
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