Düsteres Bild der Menschenrechte
Der Jahresbericht von UN-Hochkommissar Hussein ist eine lange Liste von Verstößen
Said Raad al-Hussein ist für seine unverblümte Kritik bekannt. Vor einigen Tagen etwa nannte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte den ungarischen Regierungschef Viktor Orban (»Wir wollen nicht, dass unsere Farbe mit anderen vermischt wird«) rundheraus einen Rassisten. Und er bleibt auch bei der Bezeichnung, nachdem in Budapest sein Rücktritt gefordert wurde. Am Mittwoch nun stellte der jordanische Diplomat, der im August aus dem Amt scheidet, in Genf den UN-Jahresbericht zur weltweiten Lage der Menschenrechte vor. Er zeichnet wie schon zuvor der Report der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein düsteres Bild. In über 50 Staaten sind aus UN-Sicht die Menschenrechte bedroht oder werden massiv missachtet. Verantwortlich für diese Entwicklung seien Politiker von autoritärer Natur und vager Menschlichkeit, die im Interesse ihrer politischen Ambitionen Zwietracht und Intoleranz säten.
Als Beispiele besonders schlimmer Missstände nannte al-Hussein Libyen, Jemen (siehe den Beitrag unten), die Philippinen, Kongo-Kinshasa, Myanmar, Venezuela und Syrien, wo die Zivilbevölkerung oft seit langem unter Kriegen und bewaffneten Konflikten leiden muss. In Myanmar versuchten die Behörden, Beweise für mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zerstören. Zugleich gebe es Anzeichen, dass die ethnischen Säuberungen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya weitergingen. Auch in der Türkei verschlechtere sich die Menschenrechtssituation zusehends, wie viele glaubwürdige Berichte über willkürliche Festnahmen und Enteignungen, Folter in Gefängnissen und Sippenhaft zeigten. Zudem bedrohe die türkische Militäroffensive gegen kurdische Kämpfer in der syrischen Region Afrin »zahlreiche Zivilisten«.
Aber auch die Staaten der Europäischen Mission, die so gern Menschenrechtsverletzungen andernorts anprangern, bleiben nicht ungeschoren. Vor allem ihr Umgang mit Flüchtlingen und Migranten wird in dem UN-Bericht scharf kritisiert. Die Versuche etwa, Flüchtlinge im Mittelmeer abzufangen, müssten nachdrücklich hinterfragt werden, so der Hochkommissar: »Flüchtlinge dürfen nicht nach Libyen zurückgebracht werden, wo ihnen Folter und Gewalt drohen.« Österreich warf al-Hussein eine Kriminalisierung von illegalen Migranten und extrem restriktive Maßnahmen bei Integration und Staatsbürgerschaft vor.
Überhaupt sei in der EU eine bedenkliche politische Strömung zu beobachten. So säßen mittlerweile in zwei von drei EU-Staaten Parteien mit extremen Positionen in der Flüchtlingsfrage im Parlament. Ihre Debatte basiere »auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, dem Aufstacheln zum Hass« und dominiere in einigen Ländern längst die politische Landschaft, wie al-Hussein mit Blick auf den Wahlkampf in Italien beklagte. Doch auch außerhalb Europas prangerte er den Umgang mit Geflüchteten an: In den USA zum Beispiel würden an der Grenze zu Mexiko abgefangene Migranten, darunter auch Kinder, unter zum Teil schlimmen Bedingungen inhaftiert.
Erneut wies al-Hussein auf die verheerende Lage der Menschen in Syrien hin. Die Belagerung von Ost-Ghouta etwa, wo rund 400 000 Zivilisten eingeschlossen sein sollen, sei in keiner Weise zu rechtfertigen. »Der Versuch, willkürliche und brutale Angriffe auf Hunderttausende von Zivilisten mit der Bekämpfung von einigen hundert Kämpfern zu rechtfertigen, ist weder moralisch noch rechtlich tragfähig.« Es sei höchste Zeit, den katastrophalen Kurs umzukehren. Russland dagegen verteidigte am Mittwoch unmittelbar vor einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates die Offensive der syrischen Regierungstruppen. Ihr Einsatz richte sich gegen Terroristen und verstoße nicht gegen die UN-Resolution 2401, so das Moskauer Außenministeriums.
Derweil rief UN-Generalsekretär Antonio Guterres Damaskus auf, den sicheren Zugang von Hilfskonvois zu ermöglichen. Für den heutigen Donnerstag wurde ein neuer Konvoi mit Hilfsgütern für 70 000 Menschen in der Stadt Duma angekündigt. Er soll diesmal auch medizinische Ausrüstung enthalten, die die syrische Regierung am Montag noch blockiert hatte. Mit Agenturen
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