Von den Reichen Siegen lernen

Sieben Tage, sieben Nächte: Superreiche haben ihren Reichtum in einem Jahr um 18 Prozent vermehrt -das müssten Rentner, Flüchtlinge und Alleinerziehende doch auch können

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 3 Min.

Über Armut in Deutschland ist in den vergangenen Tagen wieder viel geschrieben und gesagt worden, speziell über die Tafel in Essen. Das ist ja auch richtig. Erwähnt sei hier nur noch, dass in der Pastoralkonstitution des Vatikanischen Konzils von 1965 Folgendes steht: »Allen steht das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütern zu haben.« Und weiter: »Wer sich in äußerster Notlage befindet, hat das Recht, vom Reichtum anderer das Benötigte an sich zu bringen.«

So betrachtet wäre es vielleicht eine wahrhaft christliche Aktion gewesen, wenn der Chef der Essener Tafel die bedürftigen Rentnerinnen, Alleinerziehenden und jungen Flüchtlinge in den nächsten Supermarkt geführt hätte, damit sie sich die benötigten Lebensmittel besorgen können. Anschließend hätten sie vielleicht in der Rathaus-Kantine zu Mittag essen gehen können. Man müsste einmal einen katholischen Theologen befragen, ob das moralisch in Ordnung gewesen wäre.

Aber jetzt soll mal Schluss sein mit der Armut. Es gab in dieser Woche nämlich auch Neues aus der Welt der Superreichen, die in der öffentlichen Debatte ja eher vernachlässigt werden. Jeff Bezos sei derzeit der reichste Mensch der Welt, der Amazon-Chef habe ein Vermögen von 112 Milliarden Dollar angesammelt, berichtete das US-Magazin »Forbes« am Dienstag. Am Donnerstag war sein Vermögen schon wieder um ein paar Milliarden Dollar gewachsen. Faszinierend. Insgesamt hatten die Milliardäre dieser Welt laut »Forbes« zuletzt ein Vermögen von rund neun Billionen Dollar und damit 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Unter den Superreichen sind auch viele Deutsche.

15 Bundesbürger haben dem Magazin zufolge sogar mehr als zehn Milliarden Dollar, pro Nase. Auch die Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlicht einen spannenden Milliardärs-Index, der täglich aktualisiert wird und dem beispielsweise zu entnehmen ist, dass das Vermögen von Dieter Schwarz zuletzt kräftig auf 25,6 Milliarden Dollar gestiegen ist. Herr Schwarz ist Eigentümer der Schwarz-Gruppe, zu der unter anderem Lidl gehört.

Das ist alles ziemlich interessant und hätte schon ein bisschen mehr Aufmerksamkeit von Politikern, Ökonomen und Medien verdient. Man könnte zum Beispiel ergründen, wie es die Superreichen geschafft haben, ihren Reichtum in einem Jahr um 18 Prozent zu vermehren. Vielleicht könnten andere davon lernen, schließlich könnten Kommunen, Bundesländer und der Bund ebenso wie Rentnerinnen, Alleinerziehende und junge, männliche Flüchtlinge aus dem arabischen Raum auch ganz gut ein paar Milliarden mehr gebrauchen. Dann könnten die Armen mehr Geld vom Staat bekommen. Sie müssten nicht an Tafeln anstehen, sondern könnten ganz normal im Supermarkt einkaufen. Zum Beispiel bei Lidl.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -