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Parteisoldaten am Kabinettstisch
SPD präsentiert ihre designierten Minister. Linke Sozialdemokraten sind unterrepräsentiert
Die Chefrollen in der SPD sind klar verteilt. Am Freitagmorgen sind nur Statements des kommissarischen Parteivorsitzenden Olaf Scholz und der Fraktionschefin Andrea Nahles im Willy-Brandt-Haus vorgesehen, die ihre Ministerriege für die Neuauflage der Großen Koalition präsentieren. Einzige Aufgabe der designierten Minister ist es, beim Gruppenfoto freundlich zu lächeln. Fragen der Journalisten sind nicht vorgesehen.
Wie angekündigt, hat die SPD die sechs Posten paritätisch mit Männern und Frauen besetzt. Neue Justizministerin wird die frühere Generalsekretärin Katarina Barley. Scholz hebt lobend hervor, dass sie in der Lage gewesen sei, »sehr kurzfristig ein Ministerium zu übernehmen«. Barley war kurzzeitig Familienministerin und hatte nach der Bundestagswahl zusätzlich kommissarisch die Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales übernommen. An der Fachkompetenz der promovierten Juristin bestehen in der SPD keine Zweifel. Barley war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht und später Richterin am Landgericht Trier sowie am Amtsgericht Wittlich in Rheinland-Pfalz.
Nachfolgerin von Barley im Familienressort wird Franziska Giffey, die seit 2015 Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln ist. Scholz bescheinigt ihr, durchsetzungsfähig zu sein. Giffey habe sich in dem Bezirk mit Themen auseinandergesetzt, die nun auch im Familienministerium von großer Bedeutung sein werden. In diesem Zusammenhang nennt Scholz die anstehenden Aufgaben bei der Kinderbetreuung, Gleichstellung sowie der Integration von Migranten. Neukölln befindet sich im Wandel. Trotzdem sind viele Gegenden des Bezirks weiterhin von Armut und Arbeitslosigkeit geprägt.
Der größte SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen wird auch in der künftigen Bundesregierung vertreten sein. Auf Barbara Hendricks folgt im Umweltministerium die Generalsekretärin der NRW-SPD, Svenja Schulze. Scholz nennt Schulze eine »erfahrene Landesministerin«. Sie war sieben Jahre Forschungsministerin in ihrem Bundesland. Nun wird Schulze sich vor allem der Energiewende widmen. Sie hatte in der jüngsten Vergangenheit erklärt, dass die Tage der Braunkohleverstromung gezählt seien. In den betroffenen Regionen müsse »ein weitreichender Strukturwandel bewältigt« werden. Strittig ist aber das Tempo. Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle bislang mehrheitlich abgelehnt.
Nachdem Scholz die drei Frauen vorgestellt hat, ist Nahles an der Reihe. Sie lobt ihren Vorredner als »einen der profiliertesten Finanzpolitiker in Deutschland«. Als Beispiel nennt Nahles den Einsatz von Scholz bei den Verhandlungen über den Bund-Länder-Finanzausgleich. »Er hat auch gezeigt, dass er gut regieren kann. In Hamburg hat er den Haushalt konsolidiert und zugleich Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur vorangebracht«, erklärt Nahles. Scholz soll nun Finanzminister und Vizekanzler werden sowie die Arbeit der SPD-Ressortchefs koordinieren.
Als Bürgermeister der Hansestadt wird Scholz demnächst abtreten. Seine persönlichen Pläne sahen eigentlich nicht vor, jetzt als Bundesminister nach Berlin zu wechseln, hat Scholz in einem offenen Brief geschrieben. Doch allzu unglücklich dürfte er darüber nicht sein. Denn in Hamburg war er zuletzt nicht mehr allmächtig. Die Kritik an Scholz war wegen Polizeigewalt und chaotischer Zustände rund um den Protest gegen den G20-Gipfel im Juli vergangenen Jahres gewachsen. Das dürfte einer der Gründe dafür sein, dass eine aktuelle Umfrage die einst in Hamburg dominierenden Sozialdemokraten nur noch bei 28 Prozent sieht.
Auch Heiko Maas wird in seinem Landesverband keine große Rolle mehr spielen. Am Samstag soll seine bisherige Stellvertreterin und Landeswirtschaftsministerin Anke Rehlinger zur neuen Chefin der Saar-SPD gewählt werden. Maas will sich nun komplett auf die Bundespolitik konzentrieren. Er verlässt das Justizressort und soll Außenminister werden. Nahles attestiert ihrem Genossen »diplomatisches Geschick«. Zudem habe er eine klare Haltung. Rassismus sei von Maas immer zurückgewiesen worden. »Deutschland ist in dieser in Unordnung geratene Welt als Vermittler gefragt«, sagt Nahles.
Im Unterschied zu seinem Vorgänger Sigmar Gabriel, der zu Alleingängen neigt, gilt Maas als Parteisoldat. Was von der Führung vorgegeben wird, hat er auch dann umgesetzt, wenn er nicht vollständig davon überzeugt war. In der vergangenen Legislaturperiode hatte sich Maas von einem Gegner zum Befürworter der Vorratsdatenspeicherung gewandelt, nachdem die SPD-Spitze für die Wiedereinführung des Überwachungsinstruments plädiert hatte.
Neben Nordrhein-Westfalen hat auch der in der SPD einflussreiche Landesverband Niedersachsen durchgesetzt, dass er einen Vertreter in das nächste Kabinett entsenden darf. Im Gespräch waren der SPD-Linke Matthias Miersch und der konservative Sozialdemokrat Thomas Oppermann. Letztlich fiel die Wahl auf einen anderen Niedersachsen. Hubertus Heil soll das Ministerium für Arbeit und Soziales übernehmen. Er hatte als Generalsekretär 2009 und 2017 die beiden katastrophalsten Wahlkämpfe in der Geschichte der SPD gemanagt. Trotzdem wurde ihm wegen seiner Loyalität zur Parteiführung und guter Kontakte ein Comeback zugetraut. Heil verstehe die Sozialpartnerschaft und sei dort bestens vernetzt, weiß Nahles über das IG-Metall-Mitglied zu berichten.
Staatsminister im Auswärtigen Amt bleibt Michael Roth. Die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering wird Staatsministerin für internationale Kulturpolitik.
In der Ministerriege sind linke Sozialdemokraten erneut unterrepräsentiert. Allein Michael Roth und Katarina Barley sind Mitglieder in der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion und gelten dort als Pragmatiker. Vor seinem Antritt in der vergangenen Legislatur wurde auch Heiko Maas in einigen Medien als Parteilinker beschrieben. Doch der Handlungsspielraum dieser Sozialdemokraten ist begrenzt. Denn es gilt, einen Koalitionsvertrag umzusetzen, in dem in großen Teilen Forderungen der Union abgedruckt wurden. Demnach soll etwa die Bundeswehr für ihre Auslandseinsätze weiter aufgerüstet und Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen gestoppt werden. Die SPD hofft, dass ihr die Union im Gegenzug kleine soziale Erfolge wie die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Angestellte und Unternehmer gönnen wird.
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