Berg ohne Predigt
Leere Gebäude sind Herausforderung für Kirchen – in Mönchengladbach wird nun geklettert
In der Kirche St. Peter in Mönchengladbach ist man dem Himmel ein paar Meter näher. Denn die Kirche ist seit acht Jahren eine umgebaute Kletterhalle. Damals entdeckte Geschäftsführerin Simone Laube das Gebäude zufällig. Es war bei einer Gemeindefusion frei geworden. »Erstmal gab es Ärger mit der Gemeinde, wir mussten erklären, was gemacht wird«, sagte Laube. Doch die Pläne für eine familienfreundliche Kletterhalle, die auch sozialer Treffpunkt ist, hätten überzeugt. Die Kirchengemeinde überließ den Kletterern das Gebäude in Erbpacht. Allerdings mussten die Umbauten rückgängig zu machen sein - falls die Kirche das Gebäude wieder benötigt. Doch die Entwicklung geht in die entgegengesetzte Richtung: »Uns ist mittlerweile die sechste Kirche im Laufe der Zeit angeboten worden«, sagt Laube.
Die Kletterkirche ist ein Beispiel, wie Kirchen in Deutschland mit einem wachsenden Problem umgehen können. Durch demografische und gesellschaftliche Veränderungen werden nicht mehr alle kirchlichen Gebäude genutzt, auch weil die Zahl der praktizierenden Christen relativ niedrig ist: Bei den Katholiken waren an einem Durchschnittssonntag 2016 rund 2,4 Millionen Menschen in den Kirchen, bei den Protestanten 766 000, zusammen unter vier Prozent der Bevölkerung.
Am wenigstens genutzt werden Gemeindehäuser und Kirchengebäude, wie eine am Freitag veröffentlichte Studie der Evangelischen Bank in Kassel ergeben hat. Das Kreditinstitut hat Kirchenkreise und übergeordnete Verwaltungen wie Landeskirchen und Bistümer befragt. Das Ergebnis: 90 Prozent der Kirchenverwaltungen haben innerhalb der vergangenen fünf Jahre Immobilien verkauft. 69 Prozent gehen davon aus, dass es künftig mehr Verkäufe aus kirchlicher Hand geben wird. »Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Kirche sich mit dem Thema Immobilien bereits auseinandergesetzt hat, aber noch vor großen Herausforderungen steht«, meint Christian Ferchland, Vorstandsmitglied der Evangelischen Bank. Das Dilemma: Betriebe wie Discos und Spielhallen in ehemaligen kirchlichen Gebäuden sind meist ein Tabu. »Die Vor- und Nachteile oder auch die Reputationsschäden, die durch den Verkauf der Immobilien aus dem Bestand der Kirche entstehen würden, müssen immer in Betracht gezogen werden«, sagt Ferchland. Das gelte auch, wenn betriebswirtschaftlich gesehen der Verkauf die sinnvollste Lösung sei.
Deshalb beschäftigten sich Kirchenverwaltungen lieber mit dem Gedanken, Immobilien zu vermieten oder zu verpachten. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. Das Erzbistum München hat nach eigenen Angaben kein einziges Gebäude in den vergangenen Jahren verkaufen müssen. Das Erzbistum Köln verkauft Immobilien, aber nur »im Einzelfall, wenn sich die Nutzung eines Gebäudes ändert, und wir keine Chance mehr sehen, das Gebäude beziehungsweise Grundstück zu entwickeln«, erklärt Sprecher Thomas Klimmek. Die Evangelische Kirche von Westfalen hat sich schon von einigen Gebäuden getrennt: Seit 2001 wurden 74 Kirchen und 56 weitere Gottesdienststätten - in erster Linie Gemeindezentren - entwidmet. 26 seien verkauft worden, elf wechselten den Nutzer nach Erbbaurecht, zehn wurden vermietet. Der Rest ist ungenutzt oder wurde abgerissen.
Nicht immer bedeutet ein Verkauf von Kirchengebäuden einen Schrumpfkurs. Manchmal passen Angebot und Nachfrage an einem Ort nicht zueinander. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland habe seit 2012 sieben Kirchen und Kapellen entwidmet, sagt Sprecher Stefan Döbler. Zugleich seien neue Kirchen, Gemeindezentren oder gottesdienstlich genutzte Räume entstanden. »Allein im heutigen Kirchenkreis Mecklenburg waren es beispielsweise sechs Kirchen und Kapellen seit 1990«, sagt er. Das Immobilienmanagement wird in den Kirchen meist am Ort gemacht. Laut Verfassung der Nordkirche bestimmen die Kirchengemeinden beziehungsweise ihre Kirchengemeinderäte: »Das erscheint auch deshalb sinnvoll, weil es im Bereich der Nordkirche regional sehr unterschiedliche äußere Rahmenbedingungen gibt - vom ländlichen Raum über Mittel- und Oberzentren bis zur Metropole«, sagt Döbler.
Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sieht momentan gute Chancen für Kirchen, Immobilien zu vermarkten: Die Kombination aus Zuwanderung und Niedrigzinsen eröffne Möglichkeiten. »Alles was in den Ballungsräumen liegt, ist gut verkaufbar und vermarktbar«, sagt er. Voigtländer verweist auf die Niederlande, wo man mit dem Thema progressiv umgehe: Aus manchem Kirchengebäude sei eine Diskothek geworden. »Das muss natürlich nicht sein«, sagt er. Aber es ließen sich auch sozial sinnvolle Nutzungen für Kirchengebäude finden. Doch nicht nur Immobiliengeschäfte im Inland können für Kirchen heikel sein: Das Bistum Eichstätt geriet Anfang Februar in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass dubiose Immobilien-Geschäfte in den USA die Diözese um bis zu 48,8 Millionen Euro gebracht haben könnten. dpa/nd
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