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Wiedergutwerdung

Auf DVD: In dem Anime-Film »A Silent Voice« geht es um Mobbing, Schuld und Erlösung

  • Felix Bartels
  • Lesedauer: 3 Min.

Erst scheint es hier um Inklusion zu gehen. Shoko, ein Mädchen mit geschädigtem Gehör, wechselt an eine gewöhnliche Schule. Dort wird sie gemobbt, weshalb sie die Ausbildungsstätte wieder verlässt, während Shoya, der Haupttäter, nun selbst erfährt, wie es ist, ausgeschlossen zu werden. Recht zügig wird das durcherzählt; die Gruppe und ihr Umgang mit der Schuld sind das eigentliche Thema des Films. Dabei macht er schlichte Identifikation unmöglich, zwingt vielmehr, das Ganze in den Blick zu nehmen.

Obgleich ein Teil der Exposition, wird der Hergang des Mobbings präzise und intuitiv aufgeführt. Mobbing ist ein Akt der Entmenschung, den der Mobbende vor sich selbst rechtfertigen muss. Diesen Prozess skizziert die Handlung in einer raschen Folge von Sequenzen. Das beginnt bei der Schulleitung, die Shoko undurchdacht in die Klasse wirft, sodass die ohnehin schwierige Verständigung die Mitschüler belastet. Das setzt sich fort beim Lehrer, der nicht eingreift. Und endet beim Kollektiv, in dem jeder seinen eigenen Grund fürs Mobbing findet. Auch Shoko selbst bleibt nicht frei von Verantwortung, sie provoziert durch ihre passiv-rigorose Art.

Der größere Komplex, der sich um die Schuld dreht, ist weniger bündig; die Handlung verliert sich hier zuweilen in ihren Ästen. Auch die Figurenzeichnung wird stellenweise plakativ. Shoyas Wandel vom Schikaneur zum Büßer ist innerhalb des japanischen Kontextes um Scham, Höflichkeit und Ehrfurcht authentischer, als uns erst scheinen will, aber die Entwicklung dorthin bleibt unerzählt, wodurch er als Charakter kaum zu fassen ist. Die Sprünge zwischen Pro- und Analepse am Anfang sowie die Handhabung geraffter Zeit später erschweren die Nachvollziehbarkeit zusätzlich.

Gleichwohl ist die Handlung auch hier scharfsichtig und sensibel. Die Entschuldung als Selbstreinigung, indem ein mobbendes Kollektiv aus Mitläufern, Claqueuren, Beobachtern und Ignoranten seinen Anteil auf den Hauptschuldigen verschiebt, wird genau gefasst. Nur geht es auch um Erlösung. »Die Menschen tragen alle ihre Niederlagen versteckt in sich herum«, sagt die Regisseurin Naoko Yamada, »solche Dinge schränken den Horizont der Figuren ein.«

Dieser Horizont zeigt sich auch visuell. Die einfacher gezeichneten Figuren - Tomohiro erinnert sogar ein wenig an den karikaturenhaften Stil von »Meine Nachbarn die Yamadas« - laufen gegen die weichen, aber filigranen Hintergründe, die mit Farben, Formen, Glanz und Unschärfe starke Effekte machen. Schnelle Schnitte und der Verzicht auf weite Perspektiven stärken den Eindruck, dass in den Beziehungen und Handlungen vieles verrammelt ist.

»A Silent Voice« [»Koe no Katachi«, auch: »The Shape of Voice«], Japan 2016. Regie: Naoko Yamada, Drehbuch: Reiko Yoshida, Sprecher: Saori Hayami, Miyu Irino. 125 Min.

DVD- & Blu-Ray-Start: 16. März 2018

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