- Politik
- Präsidentschaftswahl in Russland
76 Prozent für Putin
Wahlbeteiligung etwas niedriger als vor sechs Jahren / Wahlbeobachter melden 2700 Fälle von Wahlmanipulation
Moskau. Russlands Präsident Wladimir Putin startet voraussichtlich mit seinem bisher besten Wahlergebnis in seine vierte Amtszeit: Der Staatschef erhielt bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag 76 Prozent, wie die Wahlkommission nach Auszählung von 99,8 Prozent aller Stimmzettel bekanntgab. Putin kann nun sechs weitere Jahre bis 2024 im Amt bleiben, seine Gegenkandidaten ließ er weit hinter sich. Überschattet wurde die Wahl von Manipulationsvorwürfen: Opposition und Wahlbeobachter meldeten 2700 Verstöße.
Ein klarer Sieg des 65-jährigen Putin war erwartet worden, nicht zuletzt weil sein Hauptwidersacher Alexej Nawalny von der Wahl ausgeschlossen war. Die sieben Gegenkandidaten des Präsidenten galten von vornherein als chancenlos.
Für den Amtsinhaber war ein Ergebnis von rund 70 Prozent vorhergesagt worden. Nun kam er sogar auf 76,67 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission am Montagmorgen mitteilte. Putin verbesserte damit sein Wahlergebnis im Vergleich zur Abstimmung vor sechs Jahren, als er 63,6 Prozent erhalten hatte.
Putin trat am Abend in Moskau vor hunderte Anhänger, denen er für ihre Unterstützung dankte. Er werte das Wahlergebnis als Zeichen des »Vertrauens und der Hoffnung« des russischen Volks, sagte er. Es sei auch eine »Anerkennung« dafür, dass unter schwierigen Bedingungen vieles erreicht worden sei. Um voranzukommen, sei es »sehr wichtig, diese Einheit zu erhalten«, forderte er.
Auf den zweiten Platz kam der Kandidat der Kommunistischen Partei, Pawel Grudinin, der laut Wahlkommission zwölf Prozent erreichte. Vor allem Protestwähler hätten für Grudinin gestimmt, sagten Experten in einer ersten Einschätzung. Ihm folgt der Ultranationalist Wladimir Schirinowski mit rund sechs Prozent vor der früheren Reality-TV-Teilnehmerin Xenia Sobtschak mit 1,5 Prozent.
Mehr als 107 Millionen Russen waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei 60 Prozent - und damit deutlich niederiger als 2012 mit 65 Prozent. Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
Hinweise auf Manipulation
Die Opposition und unabhängige Wahlbeobachter erhoben massive Manipulationsvorwürfe. Die Organisation Golos zählte mehr als 2700 Verstöße bei der Wahl, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen.
Kreml-Kritiker Nawalny hatte die Wahl bereits im Vorfeld als Farce bezeichnet und zum Boykott aufgerufen. Er sprach am Sonntag von »beispiellosen« Manipulationen. Stimmzettel seien gefälscht worden und Wähler mit Bussen in die Wahllokale gefahren worden. Er kündigte an, die Regierung durch Proteste weiter unter Druck zu setzen.
Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin. Sie stellte Bilder einer Überwachungskamera in einem Wahllokal nahe Moskau zur Verfügung, die offenbar zeigen, wie Wahlhelfer gefälschte Stimmzettel in eine Urne stopfen. Die Vorsitzende der Wahlkommission, Ella Pamfilowa, sprach dennoch von einer transparenten Abstimmung und »relativ geringen« Unregelmäßigkeiten.
Zu den ersten Gratulanten Putins in Deutschland zählte die rechtspopulistische AfD. Die Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland erklärten, die AfD werde sich weiter für einen »Dialog mit Russland auf Augenhöhe« und den Abbau von Sanktionen einsetzen.
Unions-Fraktionsvize Johann Wadepuhl (CDU) rief Putin zu einem »Kurswechsel« auf. Eine engere Zusammenarbeit mit dem Westen liege »im beiderseitigen Interesse«. Dies setze allerdings voraus, dass Moskau seine »fortgesetzten Verstöße gegen internationale Regeln« beende.
Russlands Rolle im syrischen Bürgerkrieg, der Ukraine-Konflikt sowie Vorwürfe einer russischen Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf hatten zu erheblichen Spannungen zwischen Moskau und dem Westen geführt. Nach dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien verhärteten sich die Fronten weiter. Putin sagte nun, es sei »Blödsinn«, Moskau für den Anschlag verantwortlich zu machen.
Erstmals nahmen dieses Jahr auch die Bürger auf der Krim an einer russischen Präsidentschaftswahl teil. Genau vier Jahre zuvor hatte Putin mit seiner Unterschrift die Schwarzmeer-Halbinsel zum Teil Russlands erklärt. Der Westen sieht dies als Annexion und Verletzung des Völkerrechts an. AFP/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.