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  • Die Familie von Karl Marx besaß einen Weinberg

Der Wein öffnete Marx die Augen

Ein Besuch auf dem Weinberg in Rheinland-Pfalz, welcher der Familie des Philosophen gehörte

  • Birgit Reichert, Trier
  • Lesedauer: 4 Min.
Maximin von Schubert steht auf dem einstigen Kapital von Karl Marx. Es ist wahrhaft historischer Boden. Ein Weinberg, den die Familie Marx fast 30 Jahre lang besessen hat: Rund ein Hektar am Grünhaus Herrenberg in Mertesdorf bei Trier - eine Lage, die damals Viertelsberg hieß. »Über 5000 Liter im Jahr haben die Marxens hier schon gemacht«, sagt von Schubert, dessen Vorfahren das Schlossgut Maximin Grünhaus 1882 gekauft haben.

Der Vater von Karl Marx, der Trierer Rechtsanwalt Heinrich Marx, hatte die Rebstöcke in guter Südwestlage als Geldanlage erworben. »Es war damals schick, als höherer Bürger einen Weinberg zu haben«, meint von Schubert (35). Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1838 wurde Karl Marx kurzfristig selbst zum Weinbergbesitzer, bevor ihn seine Mutter für seinen Teil auszahlte. Und als die Mutter starb, verkaufte Marx die letzten fünf Fuder (je 1000 Liter), die im Keller des Trierer Wohnhauses lagerten.

Wein hat im Leben des in Trier geborenen Philosophen Marx, dessen Geburtstag sich am 5. Mai zum 200. Mal jährt, eine große Rolle gespielt. Nicht nur, weil er ihn auch selbst gern trank. »Der Wein hat Marx letztlich zum Kommunisten gemacht«, sagt Buchautor Jens Baumeister. Denn unter anderem über den elterlichen Weinbergsbesitz sei Marx auf die Weinbaukrise gestoßen, die die Moselregion vor allem in den 1830er und 1840er Jahren erschütterte. Damals habe er sich erstmals mit wirtschaftlichen Fragen auseinander gesetzt.

Nach seinem Philosophie-Studium in Berlin verfasste der junge Marx als Redakteur der »Rheinischen Zeitung« in Köln eine Artikelserie über notleidende Moselwinzer: Er habe den Verwaltungsnotstand, hohe Steuern und Zölle kritisiert und über die Verarmung einer ganzen Region geschrieben, sagt Baumeister (49), der zu dem Thema ein Buch (»Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte«) herausgebracht hat.

Dass dies das erste Mal gewesen sei, dass sich Marx mit Ökonomie befasste, notierte er selbst 1859 im Vorwort seines Werks »Zur Kritik der politischen Ökonomie«. Darin schreibt er: Die Zustände der Moselwinzer »gaben die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen«. Und nach späteren Worten seines Freundes Friedrich Engels war es die Lage der Moselbauern, die Marx »von der bloßen Politik auf ökonomische Verhältnisse verwiesen« habe, wodurch er »so zum Sozialismus« (1895) gekommen sei.

Nach seiner Zeit bei der »Rheinischen Zeitung« weitete Marx seinen Blick hin zur Makroökonomie. »Er hat dann schnell die Notwendigkeit gesehen, die großen Zusammenhänge zu verstehen«, sagt Baumeister. Marx ging nach Paris, dann nach Brüssel und schließlich nach London, wo er seine weltberühmten Theorien zu Sozialismus und Kommunismus weiterentwickelte, die bis heute kontrovers diskutiert werden.

Dem Wein blieb er aber sein Leben lang treu. Auch jenem vom eigenen Weinberg der Familie. Immer wieder schrieb er über die Qualität der Jahrgänge, sagt von Schubert beim Gang durch die Reihen der Rebstöcke. Das Weingut umfasst heute 34 Hektar und zählt zu den Top-Weingütern an der Mosel. »Der frühere Weinberg der Marxens ist für uns was besonderes.«

Marx ließ sich in der Ferne beliefern. »Es gab so eine Art Care-Paket, das Karl Marx von seinem Vater Heinrich bekommen hatte, mit eigenem Wein«, erzählt der Kunsthistoriker und Archäologe Baumeister, der Stadtführer in Trier ist. Zudem sei bekannt, dass es »immer wieder Weinlieferungen von Engels an Marx« gegeben habe.

»Engels war derjenige, der sich guten Wein leisten konnte und auch ein Kenner.« Marx habe das getrunken, was gerade da war - aber gute Tropfen auch besonders geschätzt, meint Baumeister, der zum Thema Marx und Wein bereits mehr als 100 Mal Besucher durch Trier geführt hat. Die Familie Marx soll mehrere hundert Flaschen Wein pro Jahr konsumiert haben. Sohn Karl verbrachte die ersten 17 Jahre seines Lebens in Trier.

Die Berührung mit dem Thema Wein begann bei Karl Marx übrigens schon früh. Er ging in eine Schule, das heutige Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier, die sich damals über Einkünfte eines großen Weinguts finanzierte. Seine Abitur-Prüfung in Religion schrieb Marx über das Gleichnis vom Weinstock. Und seine Geburtsurkunde hatte der Großwinzer und damalige stellvertretender Bürgermeister von Trier, Emmerich Grach unterzeichnet, dessen Ururururenkel Günther Jauch heißt und heute eines von den früheren Grach-Weingütern an der Saar betreibt. dpa/nd

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