- Politik
- Gedenken an Martin Luther King
»Ich war auf dem Gipfel des Berges«
Vor 50 Jahren wurde Martin Luther King ermordet
Es geschah am 4. April 1968 im Lorraine, einem Motel in der Jazz- und Blues-Metropole Memphis in Tennessee. Die Unterkunft, benannt angeblich nach Nat King Coles Liebeslied »Sweet Lorraine«, war eine bekannte Übernachtungsstätte schwarzer Künstler. Auch der Bürgerrechtler Martin Luther King (1929-1968) wohnte dort, wenn er in Memphis zu tun hatte.
Der Hergang des Attentats ist oft erzählt: Es war kurz nach 18 Uhr. King stand auf dem Balkon, scherzte mit Freunden und Bekannten. Man wollte zum Abendessen gehen. Die Todeskugel traf ihn an Hals und Kinn.
Vor einer billigen Absteige nicht einmal 100 Meter entfernt fand die Polizei die mutmaßliche Mordwaffe, ein Remington-Gewehr, mit einem Fingerabdruck, der zum Täter führen sollte. Zwei Monate später wurde ein weißer Mann namens James Earl Ray als Tatverdächtiger festgenommen, ein Gewohnheitskrimineller. Er wurde zu 99 Jahren Haft verurteilt.
Memphis stand unter Strom in diesem Frühjahr. King, Friedensnobelpreisträger und Baptistenpastor, wollte 1300 streikenden afroamerikanischen Arbeitern der Müllabfuhr beistehen. Streikauslöser war ein furchtbarer Unfall gewesen, bei dem zwei Arbeiter in einem Müllwagen erdrückt wurden. Die Streikenden verlangten mehr Sicherheit, mehr Lohn und vor allem mehr Respekt. »Es ist ein Verbrechen, dass Menschen in diesem reichen Land leben und Hungerlöhne erhalten«, erklärte King. Tausende Schüler und Studenten demonstrierten mit. Bürgermeister Henry Loeb mobilisierte die Nationalgarde.
Die Bürgerrechtsbewegung und King konnten zu dieser Zeit bereits auf Erfolge zurückblicken: Die Apartheid-Strukturen im Süden der USA begannen aufzubrechen. 1964 unterzeichnete Präsident Lyndon B. Johnson ein Gesetz zum Verbot von Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen, 1965 ein umfassendes Wahlrechtsgesetz.
Nun wollte Martin Luther King das nächste Kapitel schreiben. Sein Engagement in Memphis gehörte zur neuen »Poor Peoples Campaign«, der »Kampagne der armen Leute«. King sprach nicht mehr nur von seinem Traum einer Gesellschaft ohne Rassendiskriminierung, wie beim historischen »Marsch nach Washington« 1963, als er seine Rede »I have a dream« hielt. Er sprach von Revolution und von »radikaler Umverteilung der wirtschaftlichen und politischen Macht«.
Seine letzte Rede hielt King in der Nacht vor dem Mord. Heute meint man, Vorahnungen zu hören. Schwere Zeiten würden kommen, rief King. »Aber mir macht das nichts aus. Weil ich auf dem Gipfel des Berges war... Und ich habe das gelobte Land gesehen. Ich gelange dorthin vielleicht nicht zusammen mit Euch.« Die Versammelten sollten wissen, dass wir, »als ein Volk in das gelobte Land kommen werden«.
Nach dem Mord explodierten Städte. In Chicago berichtete die örtliche Zeitung von einem »höllischen Wochenende«, Plünderungen und Bränden. Bürgermeister Richard Daley habe der Polizei befohlen, »jeden mit einem Molotow-Cocktail in der Hand« zu erschießen. Rauch hing auch über Washington. Straßenzüge standen in Flammen. Im ganzen Land sollen bei den Aufständen etwa 50 Menschen getötet worden sein.
Im Juni nahmen Zehntausende in Washington an der Kundgebung der »Poor People's Campaign« teil. Doch die Kampagne versandete. Im November wurde der Republikaner Richard Nixon zum US-Präsidenten gewählt.
Barack Obama, der erste afroamerikanische Präsident der USA, hat häufig gesagt, er verdanke seinen Aufstieg den Bürgerrechtskämpfern. Obama war sechs Jahre alt, als King ermordet wurde.
Viele US-Amerikaner sind heute überzeugt, dass sie nicht alles wissen über die Hintergründe des Attentates. James Earl Ray wurde am 8. Juni 1968 mit einem gefälschten Pass im Londoner Flughafen Heathrow festgenommen, gestand und wurde verurteilt. Hinterher hat er sein Geständnis widerrufen. Der Häftling Ray starb am 23. April 1998 in Nashville in Tennessee. epd/nd
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