Reparatur der Globalisierung

Der US-Historiker Erik Loomis über Donald Trumps Handelspolitik und linke Alternativen zum Protektionismus

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 6 Min.

US-Präsident Donald Trump geht gegen Freihandel vor. Er verhängt neue Zölle und lässt Abkommen wie TTIP und TPP platzen und verhandelt NAFTA neu. Auch die Linke hat ja immer gegen solche Freihandelsabkommen argumentiert, vor allem wegen Lohndumpings und dem Herabsetzen von Umweltstandards. Hat sie in Trump einen unverhofften Verbündeten gefunden?

Nein! Aber seit November 2016 (Trumps Wahlsieg, d. Red.) stelle ich bei der Linken ein Schweigen zu Freihandelsfragen fest. In den Jahren 2015/16 gab es in den USA noch eine starke und wirkungsvolle linke Kritik, besonders an der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP). Ich habe das Gefühl, dass die Leute verwirrt sind, weil jetzt Trump von Dingen redet, von denen die Linke immer geredet hat, auch wenn er nicht wirklich dasselbe sagt. Er will Handelsabkommen zurückfahren, allerdings aus anderen Gründen als die Linke. Sogar die Neuverhandlung von NAFTA ändert daran nichts. Die substanzielle Kritik der Linken von vor zwei Jahren ist weg. Ersetzt wurde sie durch eine oberflächliche Verteidigung von Globalisierung.

Zur Person
Der US-Historiker Erik Loomis, Dozent an der University of Rhode Island, forscht zu Arbeitsrecht, Umwelt und globalem Kapitalismus. Sein neuestes Buch »A History of America in Ten Strikes« erscheint im Oktober. Vor einigen Jahren wurde er nach einem provokanten Tweet massiv von der Waffenlobby NRA angefeindet.

Bei Freihandelsabkommen wie NAFTA ging es immer um die Fähigkeit des Kapitals, sich frei zu bewegen. Und jetzt kommt Trump und führt Zölle auf Stahl, Aluminium, vielleicht auch Autos ein …

Ich denke, dass Trump das macht, weil er wütend auf die Welt ist. Und das ist seine Reaktion. Problem der Linken ist: Wie können wir Antworten auf Themen finden, die über Zölle und Protektionismus der alten Schule hinausgehen? Auf Strategien, die A) nicht funktionieren und B) eine Ablehnung der Globalisierung darstellen, die mexikanische Einwanderer dämonisieren oder Stahlwerke in China. Es kann nicht so schwer sein, Kritik am Freihandel mit einer Verteidigung der zunehmenden internationalen Verflechtung zu verbinden. Aber niemand scheint das zu tun. Und so führt Trump Zölle ein und die Linke spricht nicht groß darüber, weil sie nicht ernsthaft darüber nachgedacht hat: Wie sieht es eigentlich an der Basis aus? Was sind unsere Strategien? Es gibt ein globales Handelsregime und das wird sich nicht ändern. Aber es gibt Teile, die nicht fair sind. Die Linke weltweit muss über »Kapitalismus ist scheiße« oder »Freihandel ist schlecht« hinausdenken.

Trump beschuldigt Mexiko, US-amerikanische Jobs zu stehlen, aber er erwähnt nie, dass US-Konzerne billige Arbeitskräfte ausbeuten. Arbeitnehmerrechte scheinen kein echtes Thema für ihn zu sein.

Von Trump kann man nichts erwarten. Er nutzt den Ärger und die Verbitterung, besonders unter den weißen Arbeitern, deren Jobs weg sind. Ich höre oft von Leuten, dass sie denken, die USA werden durch NAFTA übervorteilt. Aber einige dieser rechts dominierten Bundesstaaten sind riesige Agrarstaaten, die ihre landwirtschaftlichen Produkte auf den mexikanischen Markt werfen, was dazu führt, dass die mexikanischen Bauern immer weniger verdienen. Viele Bauern verarmen und sind gezwungen wegzugehen. Und wohin gehen sie? Einige nach Mexiko-Stadt, andere finden in den maquiladoras (Billiglohn-Montage-Fabriken entlang der Grenze zu den USA, d. Red.) Arbeit und wieder andere gehen in die USA. Nur denken die US-Amerikaner nicht so weit: Wie hat unsere Politik erst das Problem geschaffen, über das wir heute verärgert sind?

Sie kritisieren, dass US-Konzerne Freihandelsabkommen nutzen, um Löhne zu senken, Gewerkschaftsorganisationen zu zerschlagen, Umweltstandards abzubauen …

Die Globalisierung der Moderne ist ein gewinnorientierter Prozess, in dem Unternehmen versuchen, Arbeiterrechten, Gewerkschaften, Mindestlöhnen, Umweltstandards usw. zu entkommen. So entsteht eine Situation, in der all diese Jobs verschwinden und Menschen aus Mexiko hierher kommen. Es ist eine Situation geschaffen worden, in der ein globales Rechtssystem um diese Investor-Staat-Schiedsgerichte herum errichtet wird, die Konzernen oder Regierungen zugänglich sind, zu denen einzelne Bürger aber keinen Zugang haben. Es wurde also ein globales Handelsregime geschaffen, das die Rechte von Unternehmen schützt, während Bürger auf die nationalen Rechtsvorschriften beschränkt sind. In den USA ist es noch schlimmer: Dort haben Sie 50 kleine Bundesstaaten, die gegeneinander antreten. Ein Beispiel: Amazon will ein zweites Zentrum in den USA eröffnen und 25 Städte konkurrieren darum, indem sie Amazon so viele Steuererleichterungen und Anreize wie möglich bieten.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Globalisierung weitergehen wird: Was sind dann unsere Alternativen? Was können wir tun, um Arbeiterrechte und Umweltstandards zu gewährleisten?

Eine Antwort lautet: eine Revolution. Das hört sich gut an, aber bis es dazu kommt, können wir noch viele andere Dinge tun. Ich denke nicht, dass man dafür das Rad neu erfinden muss. Die praktischste Antwort ist, die Regulierungsregime, die im 20. Jahrhundert geschaffen wurden, auf internationaler Ebene anzuwenden. D.h., die Investor-Staat-Schiedsgerichte müssen demokratisiert werden. Bisher bisher steht diese Art von Gerichten nur Unternehmen zur Verfügung, um ihren Willen auf Kosten der Bevölkerung durchzusetzen. Aber diese Gerichte könnten auch genutzt werden, um ein System globaler Rechte zu schaffen, in dem Bürger diese Unternehmen verklagen können, z. B. Mindestlöhne zu zahlen.

Sie fordern, dass Unternehmen rechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Das ist die Idee. Es muss auf nationaler Ebene beginnen. Linksgerichtete Abgeordnete im Repräsentantenhaus und im Senat sollten zusammenarbeiten, um Gesetze zur Rechenschaftspflicht voranzutreiben. Gespräche über freiwillige Vereinbarungen sind Unsinn. Wir müssen die Details ausarbeiten, um US-Konzerne für ihre globalen Lieferketten in die Pflicht zu nehmen, Verantwortung beispielsweise für Maßnahmen gegen Kinderarbeit in Kobaltminen im Kongo zu übernehmen. Das würde einen Prozess starten über weltweit gültige Standards für Arbeitsbedingungen, Löhne und Umweltrichtlinien. Globale Standards und ein Rechtssystem, das Unternehmen in die Verantwortung nimmt - das wäre nützlicher, als zu sagen: Wir werden NAFTA verlassen, weil wir von Mexiko übervorteilt wurden.

Denken Sie, dass die Gewerkschaften stark genug sind, um Druck für Veränderungen auszuüben?

Es wird nicht von den Gewerkschaften kommen und schon gar nicht von den US-amerikanischen. Diese könnten höchstens eine unterstützende Rolle spielen. Ich denke, es muss von Graswurzel-Bemühungen kommen, wie wir sie während der Bernie-Sanders-Kampagne (in den Vorwahlen der Demokratischen Partei, d. Red.) gesehen haben. Es gibt Occupy Wall Street, die Kämpfe für 15-Dollar-Mindestlohn und andere Bewegungen. Diese werden den demokratischen Herausforderer von Trump im Jahr 2020, wer auch immer das sein wird, stark beeinflussen. Deshalb muss die Linke sagen, wie ein globales Handelsregime aussehen soll. Wie repariert man die Globalisierung? Es ist an der Zeit, dies auf konkretere Weise zu artikulieren, um es zu einem Teil vorwärtsgewandter Politik und einem Standpunkt der Demokratischen Partei zu machen.

Geht es in gewisser Weise auch um globale Allianzen? Der ganze Trump-Diskurs ist national nach dem Motto: US-amerikanische vs. mexikanische Arbeiter. Aber stehen diese nicht auf derselben Seite?

Lassen Sie mich es so sagen: Sie können nicht auf der gleichen Seite stehen, wenn es in der Diskussion darum geht, jeden US-amerikanischen Arbeitsplatz zu schützen. Sie stehen auch nicht auf derselben Seite, wenn es darum geht, mexikanische Jobs zu schützen. Ich denke, es muss eine globale Lösung geben, denn es geht um ein globales Problem. Nationale Lösungen funktionieren nicht. Konzerne agieren global, also müssen sie auch global zur Verantwortung gezogen werden können. Der Weg zur Schaffung eines globalen Arbeiterbündnisses besteht darin, dass die westliche Arbeiterklasse Politiker unter Druck setzt mit dem Ziel, die nationalen Gerichte zu öffnen, damit die Arbeiter aus anderen Ländern dort für sich kämpfen können. Das ist für mich die Definition von Solidarität. Und das wäre aus meiner Sicht der konkreteste Weg für eine breite globale Allianz.

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