- Politik
- Frankreichs Ex-Präsident
Ex-Präsident Nicolas Sarkozy unter Anklage
Justiz wirft dem konservativen Politiker Bestechung durch den früheren libyschen Diktator Gaddafi vor
Der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy wurde am Mittwochabend von den mit seinem Fall befassten drei Untersuchungsrichtern wegen passiver Bestechung, Wahlbetrug und Veruntreuung öffentlicher Gelder unter Anklage und unter Justizaufsicht gestellt. Zuvor war er zwei Tage lang in Polizeigewahrsam verhört worden. Dabei war das einzige Zugeständnis an seinen einstigen Rang, dass er die Nacht zwischen den beiden Verhörtagen nicht in einer Zelle der Finanzpolizei in der Pariser Vorstadt Nanterre verbringen musste, sondern zum Übernachten nach Hause fahren durfte.
Den Ermittlungen zufolge soll Sarkozy seinen Präsidentschaftswahlkampf 2007, der ihn für fünf Jahre ins Elysée brachte, weitgehend mit illegalen Millionenspenden des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi finanziert haben. Der erste Hinweis kam durch Enthüllungen des Nachrichtenportals »Mediapart« des ehemaligen Direktors von »Le Monde« Edwy Plenel. Dort wurden während des Wahlkampfes 2012, wo es um die Wiederwahl Sarkozys oder einen Sieg seines sozialistischen Herausforderers François Hollande ging, Papiere aus Libyen veröffentlicht, wonach Sarkozy 2006 und 2007 viel Geld aus Libyen erhielt.
Im Rahmen der im Mai 2012 durch die Justiz aufgenommenen Ermittlungen wurden auch libysche Geschäftsmänner und ehemals hochrangige Persönlichkeiten des Regimes angehört, die von Überweisungen über Mittelsmänner und Bankkonten in Drittländern berichteten. Einer räumte sogar ein, dass er Ende 2006 einen Koffer mit fünf Millionen Euro in bar nach Paris transportiert und in Anwesenheit des damaligen Innenministers Sarkozy an dessen Sonderberater Claude Guéant übergeben hat.
Aus dem später von Guéant geleiteten Wahlkampfteam liegen Aussagen von Mitarbeitern vor, die monatelang mit Bargeld bezahlt wurden, das sich abgezählt in Briefumschlägen befand, die Guéant einem Panzerschrank in seinem Büro entnahm. »Der war voll mit solchen Briefumschlägen«, erinnerte sich einer der Wahlkampfhelfer. Den Dokumenten von »Mediapart« zufolge könnten sich die Spenden aus Tripolis auf bis zu 50 Millionen Euro summiert haben.
Bislang hat Sarkozy solche Spenden immer abgestritten, ebenso wie die von den Medien angestellte Vermutung, dass er als Präsident 2011 die französisch-britische Bombardierung der Regierungszentren in Libyen, die letztlich zum Sturz und zum Tod von Gaddafi führte, nicht zuletzt betrieben hat, um diesen als Belastungszeugen aus dem Weg zu räumen.
Doch fast alle Informationen der Presse beruhten weniger auf eigenen Recherchen, als auf Indiskretionen aus der Umgebung der drei mit dem Fall befassten Untersuchungsrichter. Dass die in den zurückliegenden elf Jahren Sarkozy zu keinem einzigen Verhör vorgeladen oder gar Anklage erhoben hatten, bestärkte den Ex-Präsidenten offensichtlich in der Überzeugung, dass die Ermittlungen früher oder später ebenso eingestellt würden wie 2013 das Verfahren wegen der sehr wahrscheinlichen, aber letztlich nicht nachweisbaren Millionen-Wahlkampfspende der L’Oréal-Milliardenerbin Liliane Bettencourt.
Doch Sarkozy zieht noch weitere Skandale hinter sich her. So wurde gegen ihn 2014 formell Anklage erhoben, weil er auch seinen Präsidentschaftswahlkampf 2012 illegal finanziert hat. Um zu verschleiern, dass er die gesetzliche Kostenobergrenze überschritten hatte, wurden bei der Abrechnung fingierte Rechnungen vorgelegt. Danach wurden die Aufwendungen für Wahlkampfveranstaltungen in Höhe von 18,5 Millionen Euro durch Sarkozys Partei UMP abgerechnet. Die falschen Rechnungen stellte die Kommunikationsagentur Bygmalion aus, zu deren Gründern 2008 der Parteivorsitzende Jean-François Copé gehört hatte.
Sarkozy hat immer bestritten, davon gewusst zu haben. Diese Affäre hat die inzwischen in Republikaner umbenannte Partei an den Rand des Ruins gebracht. Der konnte nur abgewendet werden, indem vor Tagen der Pariser Sitz der Partei an die Gläubigerbanken verkauft wurde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.