Kuczynski weicht dem Druck

Der peruanische Präsident kommt mit seinem Rücktritt der Amtsenthebung zuvor

  • Günther Bading
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Peruaner mögen ihre Politiker nicht mehr. »Das halbe Land will, dass sie alle gehen«, titelte die Zeitung »La República« am Donnerstag, nachdem Präsident Pedro Pablo Kuczynski am Mittwochabend seinen Rücktritt angekündigt hatte. Es war ein Rückzug mit Ansage. Gegen Kuczynski war im Dezember ein Amtsenthebungsverfahren im Parlament nur knapp gescheitert. An diesem Donnerstag wollte die Opposition ihn in einer neuen Abstimmung endgültig loswerden.

PPK, wie Kuczynski in Peru meist genannt wird, sah ein, dass er sich nicht halten konnte. Denn in dieser Woche wurden Videos und Tonaufnahmen publik gemacht, die beweisen sollen, dass er die Abwahl im Dezember nur durch Stimmenkauf verhindert hatte. Zehn Abgeordnete der Oppositionspartei Fuerza Popular (FP) enthielten sich überraschend der Stimme. Die FP verfügt mit mehr als 70 Abgeordneten über die absolute Mehrheit. Unter den Enthaltungen war auch Kenji Fujimori. Er ist der Bruder der FP-Spitzenfrau Keiko Fujimori. Sie wiederum ist die Tochter von Alberto Fujimori, Präsident und später Diktator Perus von 1990 bis 2000. Er war 2000 durch den Kongress des Amtes enthoben worden, floh in die Heimat seiner Familie nach Japan und wurde nach seiner Rückkehr zu einer 25-jährigen Gefängnisstrafe wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt.

Bis Ende der 90er Jahre tobte in Peru ein interner bewaffneter Konflikt, bei dem sich neben der Guerillaorganisation Sendero Luminoso vor allem das Militär mit schweren Verbrechen unter Billigung Fujimoris hervortat. Fast 70 000 Menschen wurden zwischen 1980 und 2000 nach Einschätzung der Wahrheitskommission in Peru getötet.

Am 24. Dezember 2017 wurde Alberto Fujimori begnadigt, von Präsident Kuczynski, der am 21. Dezember mit Hilfe von Kenji Fujimori sein Amt gerettet hatte. Neben den monetären Zuwendungen war das anscheinend Bestandteil des Deals mit Kenji.

Der Zwist im Fujimori-Clan führte jetzt zum Sturz Kuczynskis. Denn es war Keiko, die die Videos veröffentlichen ließ, die ihren Bruder Kenji dabei zeigen, wie er mit dem Versprechen des Zuschlags lukrativer Bauprojekte, andere Oppositionsabgeordnete »kaufte«, damit Kuczynski im Amt bleiben konnte. Die belastenden Aufnahmen werden in den peruanischen Medien »Keiko-Videos« genannt.

»PKK« hat nicht nur dieses Problem des offenkundigen Stimmenkaufs. Er sieht sich auch Vorwürfen ausgesetzt, Schmiergelder von der brasilianischen Baufirma Odebrecht bekommen zu haben. Der Konzern soll Politiker in ganz Lateinamerika geschmiert haben.

Zwar bestreitet »PKK« alle Vorwürfe, aber er nimmt seinen Hut. Als Nachfolger soll Vizepräsident Martin Vizcarra am Freitag vereidigt werden. Es ist zugleich ein Generationenwechsel, der neue Präsident ist 55 Jahre, der scheidende 79 Jahre alt. Und es wird, so hoffen die Peruaner, auch ein Politikwechsel. Vizcarra ist politisch und bildungsmäßig ein peruanisches Eigengewächs, hat im Lande Ingenieurwesen studiert, war Gouverneur der Region Moquegua, führte das kleine Gebiet im Landessüden aus einer Krise, förderte das Schulwesen und hob den Bildungsstandard dort weit über das landesweite Niveau an. Kuczynski hatte in England studiert und den USA. Er arbeitete in Großunternehmen, hatte immer ein offenes Ohr für sie und, stimmen die Vorwürfe, auch eine offene Hand.

Kuczynski holte sich Vizcarra im Juli 2016 nach seiner Amtsübernahme als Transport- und Kommunikationsminister ins Kabinett und als ersten Vizepräsidenten. Zwar erntete Vizcarra viel Lob für seinen Einsatz bei der Katastrophe durch das Wetterphänomen El Niño an der Küste. Aber die Opposition warf ihm vor, Gelder für den Wahlkampf - nicht für sich selber - illegal angenommen zu haben und es soll Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe für einen Flughafen gegeben haben. Vizcarra trat im Mai 2017 zurück und wurde dann im September vergangenen Jahres Botschafter Perus in Kanada, behielt aber den Rang des Vizepräsidenten bei. Am Donnerstag flog er von Ottawa nach Lima, um am Freitag Präsident zu werden.

Der 1938 in Lima geborene Kuczynski ist der Sohn eines jüdischen Berliner Arztes und einer Schweizerin. Die Familie war nach der Machtergreifung der Nazis aus Deutschland geflohen. Kommentar Seite 4

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