• Politik
  • Proteste nach Parkland-Massaker

6 Minuten und 20 Sekunden Schweigen gegen Waffengewalt

Landesweite Proteste nach dem jüngsten Schulmassaker in der USA / Schüler fordern eine Verschärfung der Waffenkontrollen

  • Max Bohnel
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hey, hey, NRA – how many kids did you kill today?«, hallen Sprechchöre von Tausenden durch die Hochhausschluchten von Manhattan, »Gun control now!« und »Bullshit«. Vor dem Trump-Tower halten Demonstranten Schilder mit Aufschriften wie »Wenn sich unsere Führer wie Kinder verhalten, müssen Kinder führen« oder »Ich wähle 2020« hoch. Auch der Ex-Beatle Paul McCartney hat sich unter die Menge gemischt. Einer seiner besten Freunde, John Lennon, war unweit des Demonstrationsorts erschossen worden, begründet er seine Teilnahme.

Gut 200.000 Menschen nehmen an der New Yorker Demo teil. Ähnlich hohe Zahlen werden aus anderen US-Großstädten gemeldet, von Chicago und Boston über Philadelphia, Miami und Minneapolis bis nach Houston und Los Angeles. An bis zu 1000 weiteren kleineren Orten im ganzen Land drückten Schülerinnen und Schüler sowie Überlebende von Schusswaffengewalt ihre Wut auf die Waffenlobby National Rifle Association (NRA) und die Politiker aus, die die Waffenkontrollgesetze seit Jahren immer weiter entschärfen.

Das eigentliche Großereignis fand in der Washington D.C statt. Die »March for Our Lives« schätzten die Teilnehmerzahl auf 800.000 – eine der größten Protestkundgebungen in der Geschichte der US-Bundeshauptstadt und mit Sicherheit die, mit den jüngsten Teilnehmern. Für Hunderttausende von Teenagern im Highschoolalter, die demnächst zum ersten Mal wählen dürfen, handelt es sich um die ersten Politisierungsschritte. Zu den Hauptrednern gehörten Überlebende des Blutbads von Parkland, Florida, in der Marjory Stoneman Douglas High School, die vor fünf Wochen in Todesangst auf dem Boden ihrer Klassenzimmer kauerten, während der Attentäter 17 Menschen niedermetzelte.

Zur Sprache kamen dabei nicht nur Forderungen nach schärferer Waffenkontrollgesetzgebung, sondern auch die korrupte Wahlkampffinanzierung von Politikern durch Lobbygruppen wie der NRA. Einer der Höhepunkte in Washington war eine Rede der neunjährigen Enkeltochter des ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King Yolanda King. »Ich habe einen Traum, dass genug genug ist«, sagte sie in Anspielung auf die historische Rede ihres Großvaters, »dies sollte eine waffenfreie Welt sein. Punkt.«

Die Schülerin Emma González von der Stoneman Douglas High School nutzte ihre Redezeit vor den Hunderttausenden vor laufenden Kameras zum völligen Schweigen, sechs Minuten und 20 Sekunden lang und unter Tränen. So lange hatte es gedauert, bis der Massenmörder seine Tat begangen hatte. Sie rief die Menge unter riesigem Applaus auf »Geht wählen!« González gehört zu der Gruppe von Schülern, die unverzüglich nach der Tat die Dinge in die eigenen Hände nahmen und zunächst unter dem Hashtag #Neveragain zu Protesten aufriefen, darunter auch zu dem ersten großen Schul-»Walkout« vor zwei Wochen. Daran beteiligten sich Zehntausende von Highschool-Schülern.

Die Gruppe machte sich mithilfe von sozialen Medien wie Instagram, Twitter und Snapchat über die bei Politikern nach jedem Massaker zur Routine gewordenen Abwiegelung »thoughts and prayers« (wir schicken Euch Gedanken und Gebete) lustig und nennt die Verantwortlichen beim Namen. Als nächstes Großereignis ist ein zweites Schul-»Walkout« am 20. April geplant, dem 19. Jahrestag des Schulmassakers an der Columbine Highschool im Colorado.

Unterdessen hieß es in einer Erklärung der Trump-Regierung: »Wir applaudieren den vielen mutigen jungen Amerikanern, die heute ihr Verfassungsrecht nach Artikel 1 (Recht auf freie Meinungsäußerung) ausüben. Unsere Kinder zu schützen ist eine Top-Priorität des Präsidenten.« Was damit gemeint ist, und was dahinter steckt, werden Hunderttausende von Schülern in den kommenden Tagen als Anschauungsmaterial im Sozialkundeunterricht diskutieren können.

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