Duldungen: Besserer Überblick der Behörde

Innenministerium hadert mit Flüchtlingen ohne Reisepapiere / Protest gegen Abschiebeflug nach Afghanistan

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein interner Lagebericht des Bundesinnenministeriums ist es, auf den sich die Zeitungen der Funke-Mediengruppe beriefen und aus dem «Spiegel online» zitierte. Danach habe es Ende des letzten Jahres 64.914 Ausländer in Deutschland gegeben, die geduldet wurden, weil keine Reisedokumente oder Passersatzpapiere aus dem Herkunftsland vorlagen. Ende 2016 habe diese Zahl noch bei 38.012 Personen gelegen. Das bedeute einen Anstieg um 71 Prozent innerhalb eines Jahres.

Tendenziell sei die Anzahl der Ausreisepflichtigen, «deren Duldung auf fehlenden Reisedokumenten beruht, im Verlauf des Jahres 2017 kontinuierlich angestiegen». Ende 2017 seien 5743 Personen aus Indien aus diesem Grund in Deutschland geduldet gewesen, 4943 aus Pakistan, 3915 aus Afghanistan und 3828 aus Russland. Bei fast 3800 Menschen sei die Staatsangehörigkeit für die deutschen Behörden «ungeklärt».

Die innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Ulla Jelpke, machte in einer Erklärung darauf aufmerksam, dass die gestiegenen Zahlen nicht etwa der Beleg dafür sein, dass immer mehr Flüchtlinge ohne Papiere sich in Deutschland aufhalten. «Die Zahlen zu Duldungen wegen fehlender Reisedokumente müssen eingeordnet werden», so Jelpke. Hauptgrund für den Anstieg der Duldungen wegen fehlender Reisedokumente dürfte sein, dass im Ausländerzentralregister (AZR) die Duldungsgründe nun besser erfasst würden.

Jelpke weist auf folgenden Sachverhalt hin: Ende 2016 war noch bei 60 Prozent aller Duldungen «sonstiges» als Duldungsgrund im AZR vermerkt, Ende 2017 lag dieser Anteil bei 43 Prozent. Stark angestiegen sei deshalb zum Beispiel auch die Zahl der Duldungen, die wegen schützenswerter familiärer Bindungen (von 4006 auf 9477), wegen medizinischer Abschiebungshindernisse (von 2954 auf 4278) oder aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen (von 3792 auf 7989) erteilt wurden. Jelpke: «Die gut 10 000 Geduldeten aus Afghanistan können vor allem wegen des Krieges und der desaströsen Lage in ihrem Herkunftsland nicht zurückkehren - selbst wenn bei knapp 4000 von ihnen fehlende Reisedokumente als offizieller Duldungsgrund eingetragen sind.

Eine Garantie gegen Abschiebung nach Afghanistan gibt es allerdings nicht. Flüchtlingsorganisationen und Politiker zeigten sich am Montag alarmiert über eine am selben Tag geplante Sammelabschiebung vom Flughafen Halle/Leipzig. Pro Asyl forderte, Abschiebungen nach Afghanistan sofort zu beenden. Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte, es sei inakzeptabel, dass das Auswärtige Amt einen »seit Monaten überfälligen Bericht« zur Sicherheitslage in dem Land noch nicht vorgelegt habe. Pro Asyl verwies auf Berichte internationaler Organisationen, wonach 2017 in 30 von 34 afghanischen Provinzen insgesamt mindestens 360.000 Menschen vertrieben worden seien. Das Vorgehen der Bundesregierung sei »vollkommen absurd« Die Flüchtlingsräte Sachsens und Sachsen-Anhalts kritisierten in einer gemeinsamen Mitteilung »willfährige Abschiebungen in ein Kriegsgebiet«, die »tödlich enden können«.

»Statt immer weiter über eine Verschärfung der ohnehin rigiden Abschiebungspolitik zu debattieren, müssen endlich humanitäre Bleibeperspektiven für geduldete Geflüchtete eröffnet werden«, kommentierte Ulla Jelpke vor diesem Hintergrund die Berichte über angebliche Vollzugsdefizite bei Abschiebungen. Über 31.000 Geduldete lebten bereits seit über fünf Jahren in Deutschland. Es müsse endlich über effektive Bleiberechtsreglungen für Geduldete diskutiert werden. »Die hier lebenden Geflüchteten schnell zu integrieren und in Arbeit zu bringen ist nicht nur menschlicher, sondern auch gesamtgesellschaftlich sinnvoller.« Mit Agenturen

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