In aller Freundschaft
0:1 verlieren die DFB-Fußballer gegen Brasilien. Die Gäste empfinden Genugtuung, die Deutschen bleiben gelassen
Früher bezeichnete man Begegnungen wie jenes Treffen von Deutschlands besten Fußballern mit denen Brasiliens noch als Freundschaftsspiele. Längst jedoch hat sich der Terminus Testspiel für derlei Verabredungen durchgesetzt: Nix da mit Fußballspielen unter Freunden, womöglich gar zum Entzücken von Publikum oder den auf dem Platz Beteiligten. Stattdessen kühl abwägendes Ausprobieren von Spielerpersonal unter Bedingungen, die an Wettkampf erinnern sollen.
Nur wenn der Zuschauer Glück hat, erlebt er bei Testspielen so ein berauschendes Match wie beispielsweise das 1:1 gegen Spanien am vergangenen Freitag in Düsseldorf. Oder gar so eine rauschhafte Partie wie das 6:1, mit dem die Spanier am Dienstagabend in Madrid den Vizeweltmeister Argentinien vom Platz fegten. Andere indes buchen im Januar für 80 Euro einen Unterring-Sitz im Berliner Olympiastadion, zuckeln mit der U-Bahn tief in den Berliner Westen und sehen sich dort in grimmiger Märzkälte einen derart einschläfernden Kick wie das 0:1 an, das der amtierende Weltmeister gegen den Rekordweltmeister am Dienstagabend ablieferte.
Ein Spiel, von dem nicht allzu viel in Erinnerung bleiben wird: Vielleicht die rekordverdächtig hohe Rückpassquote, mit der die DFB-Verteidiger Torwart Kevin Trapp auf Trab hielten. Oder die ungelenke Abwehraktion des Ersatzkeepers von Paris St. Germain beim Gegentor in der 37. Minute durch Gabriel Jesus. Oder auch jener irre Sprint von Douglas Costa in der 78. Minute, als der Bayern-Spieler über fast 70 Meter an der Außenlinie lief und lief und lief, ehe ihn schließlich sein Klubkollege Niklas Süle mit einem lehrbuchreifen Tackling doch noch am Eindringen in den Gefahrenbereich hinderte.
Viel mehr Spannendes gab es nicht zu sehen in diesem Testspiel, das der Bundestrainer Joachim Löw denn auch in aller Gelassenheit kommentierte. »Es war irgendwie nicht unser Tag« befand Löw nach einer Niederlage, die eine Serie von 22 Spielen beendete: So lange waren die Deutschen zuvor nicht zu bezwingen.
Allerdings hatte Löw den Test wie angekündigt zum Testen genutzt: Marc-André ter Stegen, Thomas Müller, Mesut Özil und Mats Hummels hatte er nach dem glanzvollen 1:1 gegen Spanien eine Ruhepause gegönnt. Stattdessen kam in Berlin die zweite Reihe von Beginn zum Zug: Der Stuttgarter Mario Gomez, Leroy Sané von Manchester City oder der Berliner Marvin Plattenhardt als Linksverteidiger anstelle von Jonas Hector. Von den Nachrückern nutze keiner die Chance, sich nachdrücklich für das 23er Aufgebot zu empfehlen, dass der Deutsche Fußball-Bund spätestens am 4. Juni der FIFA übermittelt haben muss.
Man habe gesehen, dass es nicht so einfach sei, wenn man gleich vier fünf Mann in der Mannschaft ersetze, befand Joachim Löw. Doch keine Sorge: Bei einem Turnier wie der WM werde er aber »nur punktuell« wechseln. »Da ist es einfacher, wenn Spieler in ein Gesamtgefüge kommen, das funktioniert. Spieler wie Hummels, Khedira, Özil, Müller können andere in schwierigen Situationen anleiten.«
Für die Gegner indes war der Sieg im Testspiel zumindest eine kleine Genugtuung. Schließlich war das vorhergehende Aufeinandertreffen ein WM-Halbfinale im brasilianischen Belo Horizonte im Sommer 2014 - das historische 1:7. Da kam dieser knappe Sieg in der deutschen Hauptstadt ganz gelegen: »Das 1:7 hat uns gebrandmarkt. Dass wir jetzt gewonnen haben, heißt nicht, dass man nicht mehr darüber spricht«, sagte Selecao-Trainer Tite: »Das Selbstwertgefühl ist zurückgewonnen.« Auch wenn in Berlin wie schon 2014 schon der brasilianische Superstar Neymar verletzt gefehlt hatte. »Die Mannschaft fühlt seine Abwesenheit«, räumte auch Tite ein. »Aber wir lernen, auch ohne ihn stark zu sein und zu spielen.«
Noch zweimal wird die Selecao vor der WM-Endrunde auflaufen, einmal gegen Kroatien und dann gegen Österreich. Gegen das Team Austria wird auch DFB-Elf am 2. Juni in Klagenfurt noch einmal testen, ehe es am 8. Juni zur WM-Generalprobe in Leverkusen gegen WM-Starter Saudi-Arabien geht. Ob eines dieser Spiele noch mal bessere Unterhaltung bietet?
Der größte Nachhall am Dienstag wurde erst nach dem Spiel produziert. Toni Kroos, der beste Mann beim Premierenauftritt in den neuen grünen Auswärtstrikots, beklagte im ZDF, man habe gesehen, dass »wir doch nicht so so gut sind, wie es uns immer eingeredet wird oder wie vielleicht einige von uns denken.« Vor allem die Nachrücker durften sich angesprochen fühlen.
Bundestrainer Joachim Löw indes beruhigte: »Jede Mannschaft hat mal so einen Tag, an dem es nicht läuft. Ich weiß, was wir können und welche Mentalität wir haben. 2014 und 2010 haben wir auch im März verloren. Sie können sicher sein, dass wir uns steigern.«
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