Hühner auf Reisen

Ortswechsel im mobilen Stall ist gut für die Tiere und die Böden

  • Birgit Sander, Schwerin
  • Lesedauer: 4 Min.

Hühner brauchen Auslauf, ihre eigenen vier Wände und ein Dach überm Kopf. Auch eine Art Wohnmobil - oder besser ein Mobilstall - ist für sie völlig in Ordnung. Immer mehr Landwirte sehen Vorteile in einem fahrbaren Hühnerstall. Die Idee: Die Ställe werden regelmäßig versetzt, so dass die Tiere immer ein grünes Stück Weide haben. Vorzugsweise im Dunkeln, wenn alle Hühner auf der Stange sitzen, spannt der Landwirt einen oder mehrere Traktoren vor den Mobilstall und zieht ihn weiter.

Für die Umweltorganisation BUND sind die Hühnermobile sogar »die bäuerliche Alternative« zu den Massentierhaltungsanlagen für Legehennen und Mastgeflügel. »Durch das regelmäßige Umsetzen wird der Infektionsdruck durch den Kot der Hennen minimiert und die Tiere bleiben gesund«, erklärt der Agrarexperte des BUND in Mecklenburg-Vorpommern, Burkhard Roloff.

Von den rund 40 Millionen Legehennen in Deutschland leben nach Einschätzung des selbstständigen Öko-Beraters Friedhelm Deerberg aus der Nähe von Göttingen eine Million in mobilen Ställen. Noch handelt es sich also um eine Nische, doch der Markt wächst. Mittlerweile hätten alle großen Stall-Anbieter auch Mobilställe im Programm, es gebe Wartezeiten, sagt Deerberg. Auf Grünland müssen die Ställe allerdings alle ein bis zwei Wochen umgesetzt werden, damit sich die Grasnarbe wieder erholt.

Lukas Propp vom Betrieb »Hufe8« in Selow (Landkreis Rostock) sieht das entspannter. Er versetzt seine vier Ställe mit je 1650 Hennen auf 22 Hektar Acker sechs bis acht Mal im Jahr. Danach werden die zerscharrten Ausläufe neu mit Kleegras bestellt.

Deerberg sieht Mobilställe gerade für Bauern in den Mittelgebirgen als eine gute Möglichkeit, um kleine Weideflächen in Hanglagen für die Geflügel- statt die Rinderhaltung zu nutzen. In der Mobilhaltung blieben die Tiere auch wegen der kleineren Herden gesünder. »Kleine Herden lassen sich besser managen«, so der Berater.

Auf dem Demeterhof Medewege bei Schwerin leben knapp 1000 Legehennen in zwei Mobilställen. Der Auslauf sieht nach dem Winter traurig aus, von Grün kaum eine Spur. Ein Hahn und ein paar Hühner haben sich an einer Mauer Kuhlen in den Boden gegraben. Die meisten Hennen sitzen schon lange vor dem Dunkelwerden auf der Stange. An das Umsetzen der Ställe ist derzeit nicht zu denken. Andreas Kast, der die Hühner erst vor kurzem mit übernahm, zeigt auf die von Regen und Schnee aufgeweichten Böden. Darauf lassen sich die auf Kufen stehenden, mehrere Tonnen schweren Ställe nicht bewegen. Trotzdem sieht der 30-jährige Landwirt viele Vorteile in den mobilen Unterkünften. Er hat noch die feuchten Uralt-Ställe vor Augen, in denen die Hühner früher ihre Eier legten. »Die Mobilställe sind luftig und lassen sich komplett reinigen.« Auch dadurch sei der Krankheitsdruck geringer. Ratten, früher eine Riesenplage, hätten kaum eine Chance, sich einzunisten.

Die neuen Ställe laufen hinsichtlich Licht, Futter und Wasser automatisch, auch die Klappen zum Wintergarten und ins Freie öffnen und schließen sich von selbst. Wie auf einem Campingplatz für Wohnmobile liegen an den verschiedenen Stellplätzen für die Ställe Wasser und Strom an. Es gibt aber auch autarke Mobilställe mit Wassertanks und Photovoltaik auf dem Dach.

Mobilställe sind Ökoberater Deerberg zufolge nicht nur für Biohaltungen interessant. Auch konventionelle Betriebe, die direkt vermarkten und erst in die Geflügelmast oder Eierproduktion einsteigen, entscheiden sich oft für einen Mobilstall - auch wenn der mit 100 bis 150 Euro je Hennenplatz um ein Drittel bis die Hälfte teurer ist als ein fester Stall. Dagegen steht der Vorteil, dass sich ein Mobilstall saubermachen und wieder verkaufen lässt, falls man mit der Geflügelhaltung aufhören will, gibt Deerberg zu bedenken. Er prognostiziert den Mobilställen eine große Zukunft: »Die Nachfrage wird deutlich zunehmen, weil die Verbraucher regionale Produkte bevorzugen.« Die Ausbreitung der Mobilen begann nach seinen Worten vor etwa vier Jahren. Nach Debatten über das Tierwohl hätten Kunden zunehmend nach Regionalität verlangt, was vor allem kleinere Betriebe mit Direktvermarktung darauf brachte, zusätzlich Legehennen zu halten oder Geflügel zu mästen.

Dabei ist der fahrbare Hühnerstall nichts Neues. Schon vor fast 100 Jahren wurden Junghühner in Geflügelwagen mit Pferd oder Traktor nach der Ernte auf Stoppelfelder gezogen, um ausgefallene Körner aufzupicken. Nun ist das Konzept in der modernen Landwirtschaft angekommen. dpa/nd

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