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COP 16: Aktivismus und Greenwashing
Die UN-Artenschutzkonferenz im kolumbianischen Cali ist Sinnbild umweltpolitischer Konflikte
Kolumbien – das Land, das weltweit die höchste Zahl ermordeter Umweltaktivisten zählt und eine der größten Biodiversitäten beherbergt – ist Gastgeber der diesjährigen UN-Artenschutzkonferenz (COP 16) in Cali. Die Konferenz steht unter dem Motto »Frieden mit der Natur«, ihr Ziel ist ein Plan zur Umsetzung der 23 UN-Ziele der COP 15 von Montréal zur Eindämmung von Umweltzerstörung und weltweitem Artensterben bis 2030.
Cali, bekannt als »Stadt der Vögel«, dient als Sinnbild für das Spannungsfeld des Landes: Artenvielfalt trifft auf Monokultur, extreme Armut auf Reichtum und sozialer Protest auf mächtige Industrien. Die diesjährige Konferenz betont erstmals indigene und afro-kolumbianische Perspektiven, lässt jedoch tiefgreifende Konflikte zwischen lokaler Bevölkerung und Politik aufblitzen.
In Cali sind die Konferenzteilnehmer räumlich getrennt: In der »blauen Zone«, dem abgeschirmten Bereich für politische Verhandlungen und hochrangige Delegationen, treffen sich Vertreter der fast 200 teilnehmenden Staaten. Die indigene und afro-kolumbianische Bevölkerung findet sich überwiegend in der für die Öffentlichkeit zugänglichen »grünen Zone« wieder – symbolisch weit entfernt von den Entscheidungsprozessen. Luis Acosta, Sprecher der Indigenen Wache und der Nationalen Organisation der Urvölker Kolumbiens, kritisiert diese Trennung scharf. »Es reicht, ausgenutzt zu werden«, erklärt er. »Wir wollen auf Augenhöhe mitreden.«
»Wir wollen auf Augenhöhe mitreden.«
Luis Aosta Indigene Wache und Nationale Organisation der Urvölker Kolumbiens
Zwar wird diese Repräsentation der ethnischen Minderheiten von der linken Regierung des Präsidenten Gustavo Petros gefördert – so werden sie zum Beispiel zu bestimmten Themen in der »blauen Zone« konsultiert. Doch der strukturelle Ausschluss aus der »blauen Zone« bleibt bestehen.
Seinem Einsatz für Minderheiten versucht Petro auf der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz Raum zu geben. So kritisiert er die ausufernde Monokultur des Zuckerrohrs, die das Umland von Cali dominiert und die ethnischen Minderheiten vertreibt. Seine Aussage, dass die Gemeinden aufgrund des Großgrundbesitzes in die Elendsviertel abwandern, stößt auf Zustimmung. Calis Bürgermeister Alejandro Eder und die Gouverneurin Dilian Francisca Toro – beide mit der Zuckerindustrie verbunden – werden dagegen ausgebuht.
Indigene aus allen Regionen Kolumbiens protestieren rund um die COP 16 zudem für den Schutz ihrer Gebiete und direkte Finanzierungen, die der Natur zugutekommen sollen. Sie fordern eine Abkehr von extraktiven Industrien. Diese bedrohten nicht nur ihre Umwelt, sondern auch ihre Gesundheit.
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Während indigene und afro-kolumbianische Vertreter in der »grünen Zone« auf Unterstützung der Zivilgesellschaft hoffen, nutzen große Unternehmen die Bühne für Greenwashing, also dazu, ein nachhaltiges Image zu kreieren. Der Brauereikonzern Bavaria und Medienunternehmen wie El Tiempo erklären beispielsweise ihre Unterstützung des Umweltschutzes.
Ein älterer Kolumbianer, der über die Stände der Großunternehmen in der »grünen Zone« blickt, bringt die Stimmung vieler Anwesender auf den Punkt: »Das ist absolut lächerlich, was die hier machen.« Für die Umweltaktivisten vor Ort ist dies ein Beispiel dafür, wie wirtschaftliche Interessen über die Anliegen der Natur und der marginalisierten Bevölkerungsgruppen gestellt werden.
Die Konflikte zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umweltschutz sind nicht nur rund um Cali, sondern auch im Norden Kolumbiens spürbar. Während der COP 16 gibt es Streiks in Guajira. Die Streikenden machen die Kohlemine El Cerrejón, betrieben von der Schweizer Firma Glencore, für Gesundheitsprobleme und Nahrungsknappheit der indigenen Bevölkerung verantwortlich. Die Mine versorgt auch Deutschland mit Kohle. Petro kündigte an, komplett aus der Kohle auszusteigen und stattdessen mit deutschen Partnern Windparks in der Region zu errichten. Trotzdem ist die Bevölkerung vor Ort weiterhin skeptisch.
Laut der Sonderjustiz für den Frieden sind illegaler Bergbau, der seit über 50 Jahren anhaltende Bürgerkrieg und Drogenkonflikte maßgebliche Faktoren für die Umweltzerstörung. Die Natur wird als »stilles Opfer« des bewaffneten Konflikts anerkannt. Das Gremium für den Frieden setzt sich für die Beurteilung und Bestrafung bewaffneter Kämpfe ein.
Auf der COP 16 wollen sich indes auch soziale Bewegungen Gehör verschaffen, die gegen diverse weitere Ungerechtigkeiten eintreten. So setzten sich Mütter, deren Söhne in den Protesten 2019 und 2021 von staatlichen Sicherheitskräften auf offener Straße ermordet wurden, für Aufklärung ein. Auch Einzelpersonen wie eine ehemalige Hausangestellte, die ihren Sohn vor einem Politiker versteckt, von dem sie vergewaltigt wurde, versuchen, mit Protestschildern auf sich aufmerksam zu machen.
Viele Aktivisten auf der COP 16 glauben nicht an die großen Verträge, die in der »blauen Zone« abgeschlossen werden. Stattdessen hoffen sie, dass ihre Stimmen in der »grünen Zone« zumindest innerhalb der Gesellschaft Gehör finden und ein Umdenken anstoßen. Der Radiojournalist Camilo Adolfo Mayor vom Sender Oriente Estéreo erklärt die aufkeimende Hoffnung mit der Präsidentschaft Petros seit 2022: »Mit der ersten linken Regierung hat sich ein Platz für die Basis aufgetan.«
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