Die AfD und ihre rechten Mitarbeiter

Wie die Partei mit völkischem Nationalismus und Rechtsextremismus umgeht

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 7 Min.

Manchmal ist das, was ein Politiker nicht sagt, interessanter als das, was er sagt. Als vor einigen Tagen bekannt wurde, dass ein ehemaliger Mitarbeiter in dem Bundestagsbüro des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland in seiner Jugend im rechtsextremen Verein »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ) aktiv war, bestätigte der 77-Jährige gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« zwar den Sachverhalt, erklärte aber, nichts von der Sache gewusst zu haben. »Ich frage meine Mitarbeiter nicht, was sie im jugendlichen Alter gemacht haben.«

Das kann in der Tat so gewesen sein. Gauland hielt es auch auf Nachfrage nicht für notwendig, sich im Nachgang in irgendeiner Weise von seinem früheren Mitarbeiter zu distanzieren. »Wer Jugendsünden begangen hat, hat Jugendsünden begangen«, erklärte Gauland laut Nachrichtenagentur AFP vergangene Woche in Berlin - und schob nach: »Ich habe überhaupt nicht vor, mich davon zu distanzieren.«

Nun ist mangelnder Wille zur Distanzierung das eine, die Relativierung des Sachverhaltes aber noch etwas anderes. Nicht grundlos war die HDJ 2009 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verboten worden. Der Verein galt als stramm organisierte Jugendvereinigung, die sich am Nationalsozialismus orientiert. So hieß es in der damaligen Verbotsverfügung, die HDJ verbreite »rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut« und ihre eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen »Elite« gewesen.

Gauland selbst behauptet, er habe bis dato nicht gewusst, um was für einen Verein es sich bei der HDJ handelte. Doch obwohl er es spätestens nach den Anfragen durch Journalisten hätte wissen müssen, spielte der AfD-Chef das Problem mit einem interessanten Vergleich herunter. »Wir hatten einmal einen Außenminister, der hat Polizisten verprügelt und Steine geschmissen«, erklärte er in Anspielung auf den Grünen-Politiker Joschka Fischer, der früher in linksradikalen Kreisen aktiv gewesen war. Linksradikal oder eine verbotene Neonaziorganisation - für Gauland scheint dies etwas ähnliches zu sein.

Diese jüngste Episode ist wichtig zu kennen, weil sie illustriert, wie sich auch führende Teile der AfD verhalten, wenn es um das Thema Rechtsextremismus oder Verbindungen einzelner Mitglieder zu Neonazigruppen geht. Wird die AfD selbst in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt, reagiert sie bisweilen äußerst verschnupft. Im Juli 2017 setzte die Partei erfolgreich Unterlassungsansprüche gegen das Bundeskriminalamt (BKA) durch. Dieses hatte eine Stellenanzeige für einen Sachbearbeiter zur Internetauswertung rechtsextremer Aktivitäten mit einem Foto des Twitter-Accounts der AfD illustriert. In einer erfolgreichen Abmahnung wurde das BKA darauf hingewiesen, dass sich die Bundesrepublik und ihre Behörden gegenüber allen politischen Parteien neutral zu verhalten hätten. Das Foto verschwand schließlich aus der Stellenanzeige.

Doch was dem Staat bisweilen untersagt ist, gilt nicht für Privatpersonen, auch wenn sich dies manch einer in der AfD wünscht. Erst Ende März sorgte diesbezüglich ein Verfahren vor dem Landgericht Gießen für Aufregung. Der Vorsitzende des Kreisausländerbeirates, Tim van Slobbe, erkämpfte sich juristisch das Recht, der AfD im Kreis »deutlich rechtsextreme Merkmale« attestieren zu dürfen. Der Richter bezog sich in seinem Urteil auch auf eine Einschätzung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach es sich bei der Einordnung als »rechtsextrem« um eine Meinungsäußerung handelt, die vom Grundgesetz gedeckt ist.

Offiziell gilt in der Rechtsaußenpartei eine Unvereinbarkeitsliste, auf der eine Vielzahl von Vereinigungen aufgeführt sind, deren Mitglieder kein Parteibuch erhalten. Eine Aufnahme soll nach dem Willen des Parteivorstands selbst dann verweigert werden, wenn die betreffende Person aus einer der aufgelisteten Organisationen ausgetreten ist.

Das mehrseitige Ausschluss-Dokument umfasst neben religiös-fundamentalistischen Gruppen, bei denen es sich meist um islamische Vereinigungen handelt, auch Gruppierungen, die die AfD in die Kategorien »Ausländerextremismus«, »Linksextremismus« sowie »Rechtsextremismus« einordnet. Einer gewissen Komik entbehrt diese Unvereinbarkeitsliste dabei nicht, orientiert sie sich doch vor allem daran, ob eine Organisation beim Bundesamt für Verfassungsschutz oder einem der Landesämter unter Beobachtung steht. So kommt es, dass etwa der bayerische Landesverband der Linksjugend solid in dem Papier auftaucht, nicht aber andere Gliederungen des linksparteinahen Jugendverbandes. Für die tägliche Praxis einer Mitgliederaufnahme entscheidender sind sämtliche rechtsextremen Vereinigungen, die die Liste umfasst. Erwähnt werden unter anderem zahlreiche Kameradschaften und sogenannte Gruppen aus dem Spektrum der Freien Kräfte, aber auch Vereinigungen und Bündnisse, die rechtsextremen Parteien wie der NPD nahestehen.

Die Unvereinbarkeitsliste gilt zwar für potenzielle Parteimitglieder, bei Mitarbeitern von Bundestagsabgeordneten wird die Liste dagegen lediglich als Empfehlung gesehen. Was dabei herauskommt, enthüllte vor einigen Tagen die Wochenzeitung »Zeit« in einer aufwendigen Recherche. Die Journalisten haben dazu alle laut Bundestagsverwaltung 297 Mitarbeiter aus Fraktion und den Abgeordnetenbüros durchleuchtet. Das Ergebnis spricht für sich: Dass sich viele der Bediensteten in rassistisch motivierten Gruppen im Internet herumtreiben oder jenseits des virtuellen Lebens ganz real auf der Straße auch mal an rechten Aufmärschen, etwa von Pegida, teilnehmen, mag kaum überraschen.

Mindestens 27 Mitarbeitern attestierte die »Zeit«-Recherche jedoch »einen eindeutig rechtsradikalen bis rechtsextremen Hintergrund«. Darunter sollen mehrere Aktivisten der völkisch-nationalistischen Identitären, Mitglieder extrem rechter Burschenschaften und sogar NPD-Anhänger sein.

Wie sich der Unvereinbarkeitsbeschluss in der Praxis auswirken kann, zeigt das Beispiel eines früheren Landesvorsitzenden der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« (JA) in Brandenburg. Der Mann pflegte Kontakte zu den Identitären und nahm laut »Zeit« unter anderem an der Blockadeaktion der völkischen Nationalisten vor der CDU-Zentrale in Berlin im Jahr 2016 teil. Seiner Karriere tat dies zunächst keinen Abbruch. Zeitweise arbeitete er für die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag. Diese trennte sich erst von ihm, als er gemeinsam mit einem Funktionär der Berliner Identitären während eines Fußballspiels in einem Block mit rechtsextremen Hooligans gesehen wurde. Gewalttätige rechte Schläger? Das war dann zunächst einmal doch zu viel.

Der ehemalige JA-Chef aus Brandenburg trat später als Redner bei der rechten Vereinigung »Zukunft Heimat« auf, bei deren Veranstaltungen sich auch NPD und Pegida-Anhänger blicken lassen. Außerdem absolvierte er ein Praktikum beim völkisch-nationalistischen Projekt »Ein Prozent«. Inzwischen wurde ihm seitens der AfD offenbar verziehen. Heute ist der Mann Mitarbeiter des Brandenburger Bundestagsabgeordneten René Springer.

Die Liste mindestens fragwürdiger Personalien lässt sich fortsetzen: Gleich drei Mitarbeiter von AfD-Bundestagsabgeordneten sind laut »Zeit« Mitglieder der schlagenden Burschenschaft Gothia, die zum stramm nationalistischen Dachverband Deutsche Burschenschaft gehört. Auch hier ist der Dunstkreis zwischen erzkonservativ und völkischen Nationalismus fließend. Alle drei nahmen in der Vergangenheit an Aktionen der Identitären teil. Mit Burschenschaften, mögen sie sich am Übergang zum Rechtsextremismus verorten, scheint die AfD ohnehin kein wirkliches Problem zu haben. Studentische Männerbünde finden sich auf der Unvereinbarkeitsliste faktisch nicht, aufgezählt wird lediglich der »Bund Nationaler Studenten«. Diese rechtsextreme Organisation ist bereits seit 1961 verboten.

Ohnehin besteht der Eindruck, dass beim Umgang mit Rechtsextremismus in der AfD auch innerparteiliche Machtkämpfe eine Rolle spielen. Für Aufsehen und heftige Kontroversen sorgte 2016 der Beschluss des Bundesvorstandes, den saarländischen Landesverband aufzulösen, weil dessen Vorstand Kontakt zu extrem rechten Gruppen gehabt haben soll. Parteichef Jörg Meuthen erklärte damals: »In der AfD gibt es keine Duldung von Kontakten in das rechtsextreme Milieu.«

Wie relativ solche Ansagen der Parteispitze zu sehen sind, zeigte sich ein Jahr später im letztendlich gescheiterten Ausschlussverfahren gegen den AfD-Politiker Björn Höcke. Im 60-seitigen Antrag zum Rausschmiss des Thüringer Landeschefs attestierte ihm der Bundesvorstand »eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus«. Inhaltlich war diese Feststellung minutiös mit Belegen dokumentiert. Doch mit dem Antrag selbst wurde offenbar auch bezweckt, einen politischen Gegner ins Aus zu drängen. Nachdem Höckes wichtigste Gegenspielerin Frauke Petry die AfD kurz nach der Bundestagswahl verlassen hatte, glaubte niemand mehr ernsthaft an einen Rauswurf Höckes.

Dessen machtpolitisches Netzwerk baut ohnehin wesentlich auf Gruppen und Einzelpersonen, deren Verbindungen von den völkischen Nationalisten bis ins rechtsextreme Lager reichen. Das Ziel der völkischen AfD-Vertreter, auch ganz offiziell mit Gruppen wie den Identitären, »Ein Prozent« oder Pegida kooperieren zu können, ist greifbar nahe. Erst kürzlich kippte der Parteikonvent das bisherige Redeverbot für AfD-Vertreter beim rassistischen Dresdner Pegida-Bündnis. Bestenfalls war die Regelung ohnehin ein zahnloser Papiertiger, wurde sie doch etwa vom heutigen sächsischen Bundestagsabgeordneten Jens Maier kreativ umgangen. So hielt Maier im Juni 2017 eine Rede vor etwa 2000 Pegida-Anhängern auf dem Dresdner Altmarkt. Formal handelte es sich dabei nicht mehr um eine Veranstaltungen des rassistischen Bündnisses. Dessen Marsch endete zufällig an dem Ort, wo der AfD-Politiker auf seine Verbündeten wartete. Dass in den Reihen dieser selbsterklärten rechten Straßen-APO rechtsextreme Hooligans und völkische Identitäre zum festen Stammpublikum gehören, schreckt die AfD nicht mehr ab.

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