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Seenotretter in Bedrängnis
Rom übergibt mehr Kontrolle an die libysche Küstenwache
Ostersamstag, der dritte Einsatztag in Folge. Bereits 253 Geflüchtete befinden sich an Bord der »Aquarius«, dem Rettungsschiff der Organisation »SOS Mediterranee«. Erneut meldet sich die italienische Seenotleitstelle und informiert die Crew, dass ein weiteres Schlauchboot zu kentern droht. Auch die libysche Küstenwache sei auf dem Weg, sie koordiniere die »Rettung«. Als die »Aquarius« eintrifft, ist von den Libyern nichts zu sehen, dafür zählt man in dem Schlauchboot 129 Geflüchtete, darunter Schwangere, Kinder und ein Baby. Die Crew verteilt Rettungswesten, nimmt Kontakt mit der Küstenwache auf. Diese erklärt: 39 schutzbedürftige Menschen dürfen von der »Aquarius« gerettet werden – der Rest müsse zurück nach Libyen, so »SOS Mediterranee«.
Dies ist nicht der erste Vorfall, in dem die italienische Seenotleitstelle – bisher für die Koordination der Rettungen verantwortlich – die Kontrolle an die libysche Küstenwache abgegeben hat. Auch bei von den Organisationen »Sea-Watch« und »Proactiva Open Arms« durchgeführten Rettungen gab Rom jüngst nach Berichten von Hilfsorganisationen die Leitung an die Libyer ab – wohl wissend, was dies bedeutet: Die Rückführung der Geflüchteten in ein Bürgerkriegsland, zu belegter Folter, Vergewaltigung und Versklavung. Mitte März verweigerte die »Open Arms« die Übergabe der Geretteten an die Küstenwache – trotz der Bedrohung durch Waffen. Als die Crew in Sizilien anlegte, beschlagnahmten italienische Behörden das Schiff. Es ist nach der »Iuventa« der deutschen Hilfsorganisation »Jugend Rettet« damit das zweite Rettungsschiff, dass von Rom aus dem Verkehr gezogen wurde.
Offenbar zieht sich Italien sukzessive aus der Seenotrettung in internationalen Gewässern nahe der libyschen Küste zurück. Die von Tripolis einseitig ausgerufene und rund 74 Seemeilen umfassende »Such- und Rettungszone«, – die Hoheitsgewässer enden bei zwölf Seemeilen – verstößt laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zwar gegen das Völkerrecht. Rom beziehungsweise die EU scheinen sie jedoch mittlerweile anzuerkennen, um die Seenotretter an ihrer Arbeit zu hindern. »Wenn sich dieser [rechtliche] Rahmen kürzlich geändert hat und wir daran gehindert werden, Menschen in Seenot zu retten, dann sollten wir und alle anderen europäischen Bürger die ersten sein, die darüber informiert werden«, sagte Sophie Beau, Vize-Präsidentin von »SOS Mediterranee«.
Auch »Sea Watch«, deren Schiff am Donnerstag einen neuen Einsatz startete, ist besorgt: »Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags legt nahe, dass schon die Übergabe der Koordination einer Rettung an die Libysche Küstenwache einen Bruch von Völkerrecht darstellt«, so der »Sea Watch«-Vorsitzende Johannes Bayer. »Würde ich gerettete Personen an die Libyer übergeben, die sie an Orte bringen, wo ihnen Folter droht, würde ich mich strafbar machen«, fügt Pia Klemp, Kapitänin auf der »Sea-Watch 3«, hinzu.
Unterstützung bekommen die Seenotretter von 29 europäischen Wissenschaftlern, die jüngst in einem offenen Brief Italien kritisierten. Sollte Rom die Begünstigung von völkerrechtswidrigen Rückführungen nicht beenden, fordere man eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates und Ermittlungen gegen die Regierung wegen Mittäterschaft an Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Der LINKEN-Abgeordnete Andrej Hunko weist gegenüber »nd« auch auf die Verantwortung Berlins hin: »Jede technische Unterstützung der libyschen Küstenwache leistet deren Platzhirschgehabe auf dem Mittelmeer Vorschub«, so der Politiker. »Die Bundesregierung muss sich deshalb für ein sofortiges Ende der Zusammenarbeit einsetzen.«
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