Lula stellt sich und tritt Haftstrafe an
Brasiliens Ex-Präsident seit Samstagabend im Gefängnis
Nach langem juristischen Tauziehen ist der brasilianische Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva inhaftiert worden. Er stellte sich am Samstagabend (Ortszeit) der Polizei. Seine Ankunft in der südbrasilianischen Stadt Curitiba und sein Transport zum Gefängnis wenige Stunden später wurden live im Fernsehen übertragen. Der 72-Jährige hatte sich kurzzeitig seiner Inhaftierung widersetzt, nachdem aufgrund einer Verurteilung wegen Korruption am Donnerstag Haftbefehl erlassen worden war.
Statt fristgerecht bei der Polizei zu erscheinen, verschanzte sich Lula fast 48 Stunden lang zusammen mit Parteigenossen und Unterstützern im Gebäude der Metallarbeitergewerkschaft seiner Heimatstadt São Bernardo do Campo. Nach Verhandlungen mit der Polizei nahm er am Samstagvormittag vor dem Gewerkschaftssitz noch an einer Gedenkmesse für seine im vergangenen Jahr verstorbene Frau Marisa Leticia teil und hielt im Beisein seiner Amtsnachfolgerin Dilma Rousseff eine letzte Rede auf freiem Fuß.
Vor Tausenden Anhängern warf Lula da Silva der Justiz und politischen Gegnern vor, seine Teilnahme an der Präsidentschaftswahl im Oktober zu sabotieren. »Ich stelle mich, um ihnen zu zeigen, dass ich nicht weglaufe und dass ich meine Unschuld beweisen werde«, erklärte das ehemalige Staatsoberhaupt. Sein Verbrechen sei gewesen, in Brasilien Respekt und eine Sozialpolitik für Millionen Arme einzuführen. »Deswegen wollen sich mich verhaften«, rief Lula da Silva seinen Unterstützern unter Applaus zu. »Aber Ideen lassen sich nicht festnehmen.«
In ganz Brasilien protestierten seit Freitag Anhänger Lulas gegen die Inhaftierung. In einigen Städten kam es zu Zusammenstößen zwischen Gegnern und Unterstützern des Linkspolitikers. Das Wohnhaus der Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Cármen Lúcia Rocha, und mehrere Polizeireviere wurden mit Farbbeuteln beworfen. Zwei letzte Eilanträge von Lulas Verteidigern auf Haftverschonung wiesen die Gerichte zurück.
Unmittelbar vor der Ausstellung des Haftbefehl hatte das Oberste Gericht in einer Grundsatzentscheidung eine Inhaftierung nach Verurteilung in zweiter Instanz erlaubt und damit grünes Licht für Lulas Gang ins Gefängnis gegeben. Im Januar war der ehemalige brasilianische Präsident (2003 bis 2010) von einem Berufungsgericht wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, dem Baukonzern OAS als Gegenleistung für die Überlassung eines Strandappartments politische Gefälligkeiten erwiesen zu haben. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
Trotz der erneuten juristischen Niederlage will die PT an Lulas Kandidatur festhalten. In Umfragen liegt Lula mit deutlich über 30 Prozent Stimmenanteil vor all seinen Mitstreitern. Eine Kandidatur, die nach einer zweitinstanzlichen Verurteilung nicht mehr möglich ist, müsste Lula aber vor Gericht durchfechten.
Im Rahmen eines Korruptionsskandals, der die ganze politische Klasse in Brasilien erfasst hat, steht Lula noch in sechs weiteren Verfahren vor Gericht. Auch gegen Präsident Michel Temer und zahlreiche seiner Minister wird wegen Korruption ermittelt. epd/nd
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