German Angst vor den Immobilienbesitzern
Vermögensteuern sind in Deutschland niedriger als in vielen anderen Industrieländern - gerade den Kommunen entgehen dadurch Einnahmen
Deutschland ist im Vergleich zu vielen anderen Industriestaaten ein Niedrigsteuerland. Lohnsteuerzahler werden zwar ordentlich zur Kasse gebeten, aber beim Zugriff auf Vermögen hält sich der Fiskus stark zurück. Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben, das Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist dank hoher Freibeträge für nahe Verwandte und Ausnahmen für Unternehmen verschwindend gering, und Immobilienbesitzer entrichten nur eine geringe Grundsteuer.
Die Grundsteuer ist eine Substanzsteuer auf das Eigentum an Grundstücken. Ihre Bedeutung zeigte sich schon in der Geschichte: Im alten Rom war die Annona seit der Steuerreform von Kaiser Diokletian Ende des 3. Jahrhunderts die wichtigste staatliche Einnahmequelle. Erstmals wurde landesweit, dauerhaft und einheitlich der Besitz von bearbeiteter Anbaufläche samt Arbeitskräfteanzahl und Viehbestand besteuert. Zuständig für die Erhebung der Naturalienabgabe vor Ort waren die Prätorianerpräfekte. Die Höhe wurde alle fünf bis 15 Jahre neu festgelegt.
Vorteil der Grundsteuer ist, dass der besteuerte Gegenstand immobil ist, daher nicht versteckt oder kleingerechnet werden kann. Heute hat sie auch den Vorteil, dass ihr Aufkommen unabhängig von konjunkturellen Schwankungen ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nennt sie deshalb »eine gute Gemeindesteuer, wenn nicht sogar die beste«. In vielen Ländern ist sie Haupteinnahmequelle von Kommunen, was ja auch Sinn macht: Grundstückseigentümer erbringen mit ihr eine Gegenleistung für die von der Kommune zur Verfügung gestellte Infrastruktur und andere öffentliche Leistungen. Das DIW spricht von »fiskalischer Äquivalenz«.
In den USA sollen Städte und Gemeinden ihre Ausgaben sogar komplett aus der »Property Tax« bestreiten. Hier gehen Grund und Boden, aber auch Gebäude und feste Anlagen wie Bootsstege oder Lifte in die Bewertung ein, die sich am Marktwert, Lage, Zustand und Fläche orientiert; ihre Höhe wird jährlich von staatlichen Schätzern festgelegt. Je nach Größe und Lage werden für Häuser nicht selten 8000 bis 10 000 US-Dollar pro Jahr an Steuer fällig - in Deutschland bleibt es bisher meist bei einer dreistelligen oder sogar einer zweistelligen Summe. Die hohen Grundsteuern in den USA haben aber auch negative Effekte: In boomenden Gegenden mit steigenden Immobilienpreisen können immer mehr ältere Bewohner nicht mehr zahlen und müssen wegziehen.
Während in den USA die Kommunen alleinige Hoheit über die Höhe der Grundsteuer haben, gibt es in Deutschland bundesweite Vorgaben für die Erhebung. Städte und Gemeinden haben nur kleinere Eingriffsmöglichkeiten durch Festlegung der Höhe eines sogenannten Hebesatzes. Auch mögliche Ausnahmen sind bundesweit einheitlich geregelt; für das deutsche Steuerrecht untypisch, gibt es auch nur wenige davon: Befreit sind etwa staatliche Einrichtungen, Religionsgemeinschaften, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser.
Das Aufkommen der Grundsteuer ist in den vergangenen Jahren dank des anhaltenden Baubooms spürbar gestiegen und dürfte 2018 bei 14,3 Milliarden Euro liegen. Rund 1,9 Prozent trug sie damit zu den gesamten Steuereinnahmen bei. Hier wie auch beim Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt Deutschland in der EU aber nur im unteren Mittelfeld. Die kleine Inselrepublik Malta, die zunehmend Schwarzgeld aus aller Welt anlockt, kassiert zwar überhaupt keine Grundsteuer, aber die großen wirtschaftsstarken Partner liegen weit darüber: In Frankreich tragen sie fünf Prozent zum Steueraufkommen bei, in Großbritannien 4,4 Prozent. Hier bezahlen Immobilienbesitzer mit der Council Tax aber auch gleich die Gebühren für die Müllabfuhr. Unternehmen zahlen noch einmal 28,4 Milliarden Euro für ihre Immobilien im Rahmen der sogenannten Business Rates.
Warum ist in Deutschland die Grundsteuer eigentlich so niedrig? Eine landläufige Begründung lautet, dass ansonsten die in der Bundesrepublik besonders zahlreichen Mieter über Gebühr belastet werden würden, denn Immobilienbesitzer legen die Steuer natürlich zum Teil auf die Mietnebenkosten um. Das dürfte aber nur die halbe Wahrheit sein: Niedrige Steuern wirken immer wie ein Standortvorteil, in diesem Fall im Konkurrenzkampf um weltweit tätige Immobilienfinanzierer. Das Steuerdumping sorgt deshalb auch regelmäßig für Kritik auf Ebene der EU wie auch vom Industrieländerclub OECD, der sich den Kampf für Steuerfairness weltweit auf die Fahnen geschrieben hat.
Dass das Mieter-Argument eher vorgeschoben ist, zeigt der Gesamtblick auf die Vermögensteuern. 2013 bis 2015 entsprach das Aufkommen nur rund einem Prozent des BIP - der OECD-Durchschnitt liegt doppelt so hoch, in Frankreich und Großbritannien sogar vier mal so hoch. Wieder liegt der Hauptgrund in der fehlenden Bereitschaft, Immobilienbesitzer adäquat zur Kasse zu bitten: So wurde die Vermögensteuer vom Verfassungsgericht 1995 für grundsetzwidrig erklärt, weil es wegen der viel zu niedrigen Bewertung von Immobilien den Gleichheitsgrundsatz verletzt sah. Die damalige Kohl-Regierung weigerte sich, den Missstand zu beseitigen - wie auch alle folgenden Regierungen.
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