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Kein Stammtisch und keine linksliberale Truppe
Jugendorganisation Linksjugend.solid traf sich zu ihrem Bundeskongress in Erfurt
Die linke Jugendorganisation solid hat sich auf einem Bundeskongress in Erfurt klar zu der Idee bekannt, Europa radikal zu erneuern und umzubauen - und gleichzeitig erklärt, dass die durch die Europäische Union erzielten Fortschritte trotzdem zunächst einmal gegen rechte und rechtspopulistische Strömungen verteidigt werden müssten. »Wir leben nicht nur in der Zukunft, wie leben auch im Hier und Jetzt«, sagte einer der auf dem Treffen neu gewählten Mitglieder des bei solid sogenannten Bundessprecher*innenrates, Paul Gruber, am Sonntag in der thüringischen Landeshauptstadt.
Deshalb hätten sich die Delegierten des Bundeskongresses auch dafür ausgesprochen, ein Jugendkandidaten für einen aussichtsreichen Platz auf der Liste der LINKEN zur Europawahl zu nominieren. Ein kontroverser Antrag um die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft bei solid und einer anderen linken Organisation fand dagegen keine ausreichende Mehrheit auf dem Kongress.
In einem von den Delegierten mit großer Mehrheit verabschiedeten Leitantrag wird entsprechend dieses pragmatischen Umgangs mit Europa einerseits formuliert, wie sehr das europäische Konzept verändert werden muss. Die EU sei undemokratisch, sozial ungerecht, militaristisch und unökologisch, heißt es in dem Papier. Andererseits billigt das Dokument der Europäischen Union immerhin zu, dass auch sie eine Anteil daran hat, dass Frauen und Menschen verschiedener sexueller Orientierung oder Identität in Europa heute selbstbestimmter leben könnten als früher.
Dass zumindest EU-Bürger nationale Grenzen innerhalb Europas relativ leicht überschreiten und junge Menschen »leichter im Ausland studieren können, statt in nationalem Dünkel zu verharren«, sei ein Erfolg der Europapolitik der vergangenen Jahrzehnte. »Wir sind weder ein zynischer Stammtisch, der nur in schwarzen Farben ausmalt, wie schrecklich doch alles ist, noch sind wir eine linksliberale Verteidigungstruppe, der es ausreicht eine mehr als mittelmäßige EU gegen rechte Monster zu verteidigen«, heißt es im Leitantrag. »Wir nehmen die derzeitige Lage zur Kenntnis, aber nicht um an ihr zu verzweifeln, sondern um sie zu verändern.«
Wie so viele Debatten innerhalb von linken Strömungen, wird also auch dieser Leitantrag erkennbar von der Auseinandersetzung mit Rechten und Rechtspopulisten getragen - dem man bei solid nun letztlich eine ganz ursprüngliche linke Formulierung entgegensetzt. Der Leitantrag beginnt mit den Worten: »Zu lange gingen in Europa nur rechte Monster und neoliberale Untote umher. Es wird Zeit, dass endlich wieder ein Gespenst nach Europa zurückkehrt: Das Gespenst des Kommunismus.« Damit lehnen sich die jungen Linken an jenen berühmten Zeilen an, mit denen das Manifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels beginnt: »Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus.«
Anders als die Diskussion um den Leitantrag zu Europa war die Debatte um einen Unvereinbarkeitsbeschluss auf dem Bundeskongress ausgesprochen kontrovers: Die Debatte darum, ob es in Zukunft möglich sein sollte, gleichzeitig Mitglied bei solid und bei der trotzkistischen Sozialistischen Alternative (SAV) zu sein. Trotzdem sei der entsprechende verbale Schlagabtausch ohne persönliche Diffamierungen und Beleidigungen ausgetragen worden, sagte Gruber. Ohnehin sei es gut gewesen, dass diese seit Längerem in vielen Landesverbänden und auch im Bundesverband geführte Debatte nun auf einem Bundeskongress breit geführt worden sei.
Mehrere solid-Mitglieder hatten einen Antrag eingereicht, um zu verhindern, dass SAV-ler in Zukunft gleichzeitig in beiden Organisationen aktiv sein können - weil sie dem SAV vorwerfen, die Strukturen von solid für die Profilierung des SAV zu missbrauchen. Es sei nicht legitim, wenn Mitglieder der SAV bei solid Parallelstrukturen einführten, junge Linke manipulierten und »geleistete Arbeit oder Projekte zu torpedieren oder in Gänze zu übernehmen und Ressourcen des Jugendverbands zu nutzen«, um die eigene Organisation anstatt solid zu stärken. Allerdings war zur Annahme des Antrages eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich, da damit die Bundessatzung von solid hätte geändert werden sollen. Diese Mehrheit erreichten die Antragsteller jedoch nicht. Nach Angaben von Gruber fehlten am Ende 15 Delegiertenstimmen.
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