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Grüne in der Selbstfindung
Partei startet Debatte über ein neues Grundsatzprogramm
Die Grünen wollen über Grundsätzliches diskutieren. Sollte Gentechnik befürwortet werden, wenn dadurch möglicherweise die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert wird? Wie steht man eigentlich zur NATO in Zeiten, in denen die Mitgliedstaaten des Militärbündnisses Türkei und USA von Recep Tayyip Erdoğan und Donald Trump regiert werden, welche die Grünen nicht als ihre Verbündete ansehen?
Um diese Fragen zu klären, wollen sich die Grünen viel Zeit nehmen. Am Ende des Prozesses soll ein neues Grundsatzprogramm stehen. Die Präsentation des Papiers ist bei den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Partei im Jahr 2020 geplant.
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Auf einem Konvent läuteten die Grünen am Freitagabend in einem Berliner Hafengebäude die Debatte ein. »Wir stehen vor neuen Fragen und Herausforderungen«, erklärte Parteichef Robert Habeck. Er vertrat die Ansicht, dass die idealistischen Grundsätze der Grünen aus ihrem Gründungsjahr 1980 »einem krassen Wirklichkeitscheck« unterzogen worden seien. Deswegen hätten sich die Grünen im Jahr 2002 ein neues Grundsatzprogramm gegeben.
Damals regierte die Ökopartei noch zusammen mit der SPD im Bund und verabschiedete sich in dieser Zeit mit der Zustimmung zu den Kriegseinsätzen in Jugoslawien und später in Afghanistan von ihren pazifistischen Grundsätzen. Diese Wandlung wurde auch im neuen Grundsatzprogramm festgeschrieben. So heißt es in dem Text: »Wir wissen aber auch, dass sich die Anwendung rechtsstaatlich und völkerrechtlich legitimierter Gewalt nicht immer ausschließen lässt.«
Die Kovorsitzende Annalena Baerbock sagte, dass die Grünen niemals zu den Gräueltaten auf dieser Welt, die man derzeit in Syrien beobachten kann, schweigen dürften. Ein militärisches Eingreifen dort hält sie aber für falsch. »Außenpolitik ist immer ein Abwägungsprozess«, so die Grünen-Politikerin. Als Möglichkeiten nannte sie Sanktionen wie das Einfrieren von Konten. Die Grünen hatten im Syrienkrieg vor allem das Vorgehen des Präsidenten Baschar al-Assad und seiner Verbündeten kritisiert.
Im Zentrum des neuen Grundsatzprogramms dürfte allerdings nicht die Außenpolitik stehen, sondern Umweltthemen. Hier sehen die Parteivorsitzenden Unternehmen als Partner, welche hierzulande angesiedelt sind und »klimabewusst« handeln. Zum Schutz dieser Firmen hält Baerbock die Einführung von Klimazöllen für möglich. Diese Zölle könnten auf importierte energieintensive Produkte erhoben werden.
In dem neuen Grundsatzprogramm sollen sich auch die unterschiedlichen Milieus wiederfinden, welche bei den Grünen aktiv sind oder mit der Partei sympathisieren. Für seine linken Unterstützer hatte Habeck einen Klassiker parat. Man dürfe in dem Programm auch über »Kapital« und mit Bezug auf Karl Marx über die »Entfremdung von Arbeit« reden. Der Norddeutsche erinnerte daran, dass unter anderem durch die Digitalisierung neue Arbeitsformen entstehen. Prekäre Selbstständige haben oft Probleme, sich finanziell über Wasser zu halten. »Unternehmermut und neue Geschäftsmodelle müssen möglich sein«, so Habeck. Aber zugleich solle verhindert werden, dass die Menschen ausgebeutet werden.
Neben eher linken Menschen sind auch die Konservativen bei den Grünen willkommen. Sie dürften sich darüber freuen, dass die Partei nun ihre »Heimat- und Geborgenheitsdebatte« fortsetzen will. Man wolle liberale und humanitäre Antworten in der Flüchtlingspolitik finden, führte Habeck aus. Dabei würden die Grünen allerdings die »schwierigen Fragen« nicht den anderen Parteien überlassen.
Die Grünen wollen in den kommenden Monaten »solidarisch miteinander streiten«, wie es Habeck ausdrückte. Es soll offen diskutiert und nicht nach schnellen Antworten gesucht werden. Wenn das neue Programm steht, soll es mindestens 20 Jahre lang gültig bleiben.
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