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Töpfchen und Kröpfchen

Der politische Kabarettist Michael Feindler gastiert mit dem Programm »Artgerechte Spaltung« im Zebrano-Theater

  • Mathias Schulze
  • Lesedauer: 4 Min.

Was macht man als politischer Kabarettist, wenn die Mauern des Weltgeschehens zementiert erscheinen und ein paar vorgetragene Glaubenssätze sie nur noch kälter machen würden? Grundsatzfragen, Ausgangspunkte, Gattungsgrenzen. Was macht man, wenn ein Großteil des Publikums, das sich einen Kabarettbesuch leisten kann, an grundlegenden politischen Veränderungen kein Interesse hat - weil es eh schon zu den Gewinnern des Wirtschaftssystems gehört?

Michael Feindler, Jahrgang 1989 und geboren in Münster, kennt die Sirenengesänge des schnellen Gags, lange stand er auf Poetry-Slam-Bühnen. Und doch hat der heute in Leipzig lebende und an Kurt Tucholsky, Erich Kästner und Loriot geschulte Künstler ein Verfahren entwickelt, das mit seinem Dialogcharakter frische Farben ins politische Kabarett bringt. So fängt Feindlers Programm »Artgerechte Spaltung« schlurfend harmlos an. Gitarre, Plauderton, Bekenntnisse. Anfangs ist es, als würde sich ein guter alter Freund zurücklehnen. Plopp, da geht die Bierflasche auf. Schon purzeln die Gedanken: Unsortiert, vereinnahmend und vertraut. Vieles ist nicht richtig, aber alles wahr.

Michael Feindler beginnt mit jenen Kategorien, die uns dabei helfen sollen, die Wirklichkeit zu ordnen. Das fängt im Kinderzimmer an, geht über den deutschen Bildungs- und Selektionsprozess und landet schließlich beim unsicher fragenden Blick auf das »Schweinesystem«. Feindler legt Schlingen, zwischendurch ein Liedchen mit der Gitarre. Blau ist die Farbe der Jungs, rosa ist Prinzessin Lillifee, Kapitalismuskritiker verdienen auf Bühnen ihre Brötchen. Und sind wir mal ehrlich: Ist es nicht sinnvoll, Kinder in separate Sozialisierungsgruppen aufzuteilen? Töpfchen und Kröpfchen. Ist das nicht ein natürlicher Prozess? Denn die einen leisten nun einmal mehr als die anderen.

Trödelnd, tändelt, bestätigend und zweifelnd pinselt uns Feindler unsere eigenen Weltbilder an den Wahrnehmungshorizont. So zieht er uns ins eigene geistige Labyrinth hinein - bis wir nach jedem Satz eine Pause wünschen, um längst Beklatschtes zu prüfen. Feindler verstrickt uns in diverse Widersprüche. So werden wir vom eingeübten Schenkelklopferreflex befreit, zugleich wird uns die Druckabfuhr des schallend-zynischen Lachens verwehrt. Feindler nimmt hier noch einmal einen Erzählfaden auf, verfeinert da noch ein wenig mit lyrischen Mittel: »Oft scheint bei Karriereleitern / Die Konstruktion schon nicht zu stimmen / Man muss sie nämlich schlicht erweitern / Um diese Leitern zu erklimmen / So wird ein Aufstieg nur gelingen / Sofern der Mensch sich’s leisten kann / Die Sprossen selber mitzubringen / Ansonsten steht Stabhochsprung an.«

Einmal im Feindler-Labyrinth gefangen, werden wir nur kenntnisreich und schonungslos entlassen. Der Abend kippt, trotz humorvoller Liedchen, ins authentische Erzählen. Damit zerschlägt Feindler die weltanschaulichen Schlingen, dadurch entsteht eine Nachdrücklichkeit, die den Pointenzwang berührend auf die Bretter schickt. Dann hören sich Abgrenzungsbemühungen von Gymnasiasten jüngeren Datums so an: »Wir haben ja die Horrorgeschichten mitbekommen - aus Brennpunktschulen in Duisburg oder Berlin-Neukölln. Und wenn wir davon hörten, haben wir uns erst recht überlegen gefühlt. Im Grunde unseres Herzens waren wir arrogante Wichser. Dafür konnten wir nichts.«

Je länger der Abend, desto größer die Gewissheit, dass der Magen bald das anfangs fröhlich Gekippte zurückschicken wird. Erlebnisberichte, Kollektiverfahrungen. Wird mit dem rechten Nachbarn gesprochen, der vom links-grün versifften Establishment fabuliert? Nein! »Weil in solchen Momenten immer der Gymnasiast in mir hochkommt. Der arrogante Wichser, der sich vom Pöbel abgrenzen will.«

Feindler, der Suchende, der nebenher Simone Lange, Andrea Nahles’ Herausforderin um den SPD-Vorsitz, bei ihrer Pressearbeit unterstützt: »Ich wollte über globale Zahlen reden. Darüber, dass die acht reichsten Menschen der Welt inzwischen mehr besitzen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Dass die fünf größten Finanzverwalter der Welt 15 Billionen Dollar auf den Finanzmärkten hin- und herschieben. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt der gesamten EU. Ich wollte darüber sprechen, dass schätzungsweise 30 Billionen Dollar in Offshore-Zentren lagern, um Steuern zu sparen. Und dass laut Welternährungsorganisation 0,1 Prozent dieses Wertes - also 30 Milliarden Dollar - jährlich ausreichen würden, um den weltweiten Hunger nachhaltig zu bekämpfen.«

Doch was fangen wir mit diesen Zahlen an, wenn uns die Kommentare unseres Nachbarn mehr berühren als die Unterernährung von einer Milliarde Menschen? Satirische Zuspitzungen hat die Wirklichkeit genug zu bieten, Feindler vertraut in seinem Programm »Artgerechte Spaltung« auf die Wucht eines unprätentiösen Dialoges. So etwas ist selten auf deutschen Bühnen. Sehr selten.

Michael Feindler: »Artgerechte Spaltung«, am 19. April, 19.30 Uhr, im Zebrano-Theater, Lenbachstraße 7a, Friedrichshain.

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