Kippa tragende Männer attackiert

Unbekannter prügelt in Prenzlauer Berg mit Gürtel auf Israeli ein / Staatsschutz ermittelt

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein sonniger Nachmittag. Der 21-Jährige Israeli Adam Armoush ist mit einem 24-Jährigen Begleiter am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg unterwegs. Die beiden jungen Männer tragen eine Kippa. Eine Gruppe von drei Männern nimmt an der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung Anstoß. Nach heftigen Beschimpfungen zieht einer aus der Gruppe plötzlich seinen Gürtel heraus und fängt an, auf Adam einzuprügeln. Immer wieder schlägt er heftig zu. So ist es auf einem Video festgehalten, dass Armoush im Netz veröffentlicht hat.

Auf dem Film ist zu hören, wie der Täter mehrfach das Wort »Jehudi« ruft, was im Arabischen und Türkischen »Jude« bedeutet. Der Angreifer behauptet zudem, dass er halber Palästinenser sei. Nach mehrfachen Schlägen flüchtet die Angreifer. Wohl auch, weil mehrere Passanten den Angriff beobachten und damit drohen, die Polizei zu rufen.

Zahl antisemitischer Vorfälle steigt

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) hat am Mittwoch ihren Bericht zu antisemitischen Vorfällen für 2017 vorgelegt. Demnach hat es im vergangenen Jahr 947 registrierte Fälle von Antisemitismus in Berlin gegeben.

2017 waren 245 jüdische und nichtjüdische Einzelpersonen und in 461 Fällen jüdische oder israelische Institutionen und zivilgesellschaftliche Initiativen betroffen. Damit liegt die Anzahl der betroffenen Einzelpersonen gegenüber 2016 um 55 Prozent höher. Das ist die höchste Zahl überhaupt seit der Erfassung.

»Täglich sind in Berlin Menschen mit Antisemitismus konfrontiert. Durchschnittlich werden uns jeden Tag zwei bis drei Vorfälle bekannt«, sagte Projektleiter Benjamin Steinitz. RIAS erfasst in seinen Berichten Vorfälle, die keinen Straftatbestand erfüllen. Auch an Schulen stieg die Zahl antisemitischer Übergriffe an. jlo

Nach Polizeiangaben habe eines der Opfer noch versucht, die Gruppe auf ihrer Flucht zu verfolgen, wurde dann aber mit einer Glasflasche beworfen, die ihn jedoch nicht traf. Armoush filmt, wie der jugendliche Täter mit dem Gürtel auf ihn einschlägt. Das Video lädt er am späten Dienstagabend in einem sozialen Netzwerk hoch. Dazu schreibt er: »Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in Berlin passieren kann.« Gegenüber der »Bild«-Zeitung erklärt Armoush am Mittwoch, dass er sich in Berlin nicht mehr sicher fühle.

Polizeisprecher Michael Gassen sagt am Mittwoch, dass die Polizei von dem Videomaterial wisse. Der Staatsschutz ermittelt.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verurteilte die Tat. »Antisemitismus gehört nicht zum Berlin, in dem wir leben wollen.« Er sei dankbar, dass jüdisches Leben in der Stadt wieder sichtbar sei.

Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, zeigt sich angesichts der Brutalität der Tat schockiert. »Die Angreifer haben sich mit dieser antisemitischen Attacke außerhalb der Gesellschaft und unseres Rechtsstaats gestellt«, sagt Königsberg dem »nd«. Der blanke Hass, den man in den Augen des Angreifers erkennen könne, mache ihn fassungslos. Königsberg appelliert an die muslimische Gemeinschaft, gegen Antisemitismus in ihren Reihen vorzugehen. »Es darf keine Rechtfertigung für Judenhass und Hetze gegen Andersgläubige geben.« Er habe sich mit den beiden Opfern des Angriffs in Verbindung gesetzt.

Mike Samuel Delberg, Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, fordert, die Täter mit der Härte des Gesetzes zu bestrafen. »Trotz anhaltender öffentlicher Debatten scheinen die bisher angewandten Schritte nicht zu fruchten«, sagt Delberg. Der 26-Jährige fügt hinzu: »Wenn wir jetzt nicht endlich resolut gegen antisemitische Angriffe durchgreifen, schreiten wir in eine Zukunft, in der sich Juden in Deutschland nicht mehr frei auf die Straßen trauen werden.«

Auch Maya Zehden, stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Berlin-Brandenburg, spricht sich für juristische Präzedenzfälle aus. »Sollten die Angreifer keinen deutschen Pass haben, muss eine Ausweisung in Betracht gezogen werden.« Der Übergriff passiere in einer Zeit, in der der Antisemitismus in Deutschland zunähme. »Insbesondere aus der Gruppe nahöstlich sozialisierter Menschen wird immer wieder Gewalt auf Juden reagiert«, sagt Zehden. Bei den jüngsten Vorfällen von Mobbing durch muslimische Schüler handele es sich nicht nur um Antisemitismus, sondern um den Anspruch von Deutungshoheit gegenüber allen Muslimen und Nichtmuslimen. Zehden fordert eine offene Debatte über muslimischen Antisemitismus. »Eine falsch verstandene politische Korrektheit verhindert bisher den nötigen Druck auf die Community«, sagt Zehden.

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