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»Ziel ist die Deutungshoheit in Ostritz«

Am Geburtstag von Hitler wollen Tausende Nazis ein Festival in Sachsen abhalten - ein linkes Bündnis hält dagegen

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 5 Min.

Am Wochenende findet das »Schild und Schwert«-Festival im ostsächsischen Ostritz statt. Wie viele Neonazis werden erwartet?

Wir gehen davon aus, dass 2500 bis 3500 Neonazis der Einladung des rechten Multi-Funktionärs Thorsten Heise folgen werden. Eine hohe dreistellige Zahl wird dabei unseren Schätzungen nach aus Polen und Tschechien kommen. Die Absage des polnischen Nazi-Festivals »Noc Tożsamości« (»Nacht der Identität«), das am gleichen Wochenende stattfinden sollte, wirkt sich positiv auf die Mobilisierung der Nazis aus. Viele Musiker, die in Ostritz auftreten, wie die Hooliganband »Kategorie C« oder die »Landser«-Nachfolgeband »Die Lunikoff Verschwörung«, sind auch in Polen bekannt.

Sascha Elser

Sascha Elser ist Sprecherin der Initiative »Rechts rockt nicht«. Das antifaschistische Bündnis ist ein Zusammenschluss von Gruppen und Einzelpersonen aus Sachsen und Brandenburg. Am 20. und 21. April wollen die Aktivisten mit einer Kundgebung gegen das neonazistische »Schild und Schwert«-Festival in Ostritz protestieren. Mit Elser sprach für »nd« Sebastian Bähr.

Warum wird das Festival gerade in Ostritz abgehalten?

Nazis konnten in den vergangenen Jahren wiederkehrend auf Immobilien in der Region zugreifen. In dem Hotel »Neisseblick« in Ostritz, in dem auch das »Schild und Schwert«-Festival stattfindet, wurden zuvor schon NPD-Jahrestagungen durchgeführt. Der Betreiber Hans-Peter Fischer hatte Kontakte zur verbotenen Organisation »Wiking Jugend«, war bei den Republikanern und fällt immer wieder durch rassistische und geschichtsrevisionistische Aussagen auf.

Das antifaschistische »Rechts rockt nicht«-Bündnis plant einen Protest gegen das Festival. Wie soll dieser aussehen?

Unsere Initiative plant eine Kundgebung in Hör- und Sichtweite der Nazis. Damit soll ein Angebot für die Leute aus der Region geschaffen werden, um zu protestieren, sich zu informieren und zu vernetzen. Es wird auch ein Bühnenprogramm geben, wo etwa die Band »Strom und Wasser« um Heinz Ratz oder der »Prinzen«-Sänger Sebastian Krumbiegel auftreten werden. Es freut uns, dass auch viele Gruppen und Einzelpersonen aus Zittau und Görlitz bei uns sprechen, wie etwa die Intendantin des Gerhart-Hauptmann-Theaters, die Regionalverantwortlichen des DGB oder der Jugendring Oberlausitz.

Wie verhält sich das Bündnis zu den Bewohnern von Ostritz?

Wir sind solidarisch mit allen Anwohnern in Ostritz, die sich gegen das Nazi-Festival stellen. Unser Ziel ist, dass alle wichtigen Plätze der Stadt von Antifaschisten besetzt sind und wir die Deutungshoheit haben. Von uns wird dabei keine Gewalt ausgehen. Unsere Aktionsformen sind sehr anschlussfähig.

Es soll auch eine bürgerliche Gegenveranstaltung in Ostritz geben. Was ist Ihre Einschätzung dieses Protestes?

Wir finden es wichtig, dass möglichst viele Vereine und Personen aus Ostritz an den Protesten teilnehmen. Das politische Signal, das von dem Bürgerfest ausgeht, halten wir jedoch für nicht ausreichend. Diesem Protest geht es weniger um eine antifaschistische Aussage, als darum, den Ruf des Ortes zu retten. Unser Bündnis will jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit den rechten Strukturen und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen sie oft ungehindert agieren können.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fungiert als Schirmherr dieses Festes. Was ist davon zu halten?

Dass Ministerpräsident Kretschmar die Schirmherrschaft für ein solches Fest übernimmt, ist tatsächlich eine Zäsur für die sächsische CDU. Bisher galt dort, dass es kein Naziproblem in Sachsen gibt. Ob daraus allerdings auch ein anderer Umgang mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Protesten gegen Naziumtriebe folgt, der Rechtskurs der sächsischen Union hinterfragt wird oder entschieden gegen rechte Strukturen vorgegangen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der sächsischen Behörden beim Umgang mit dem Nazi-Festival?

Man muss so ein Festival verhindern, bevor es stattfindet. Wenn die Nazis erst mal in der Stadt sind, kann die Polizei nur noch bedingt Auflagen durchsetzen. Unserer Einschätzung nach kann das Festival zudem nicht als politische Versammlung gelten. Teile der Veranstaltung wie das Kampfsportevent »Kampf der Nibelungen«, der Alkoholausschank oder die rechte Tattoo-Konvention sehen wir nicht vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt. Mit dem Konzert soll vor allem Geld in die Kassen von Partei und Nazikadern gespült werden. Sachsen ist seit drei Jahrzehnten ein Rückzugsort für Nazis. Möglicherweise hat sich bei den Behörden dadurch ein Gewöhnungseffekt eingestellt. Die Sensibilität gegenüber rechten Aktivitäten reicht nicht aus.

Besteht die Gefahr, dass sich Ostritz als Ort für Nazikonzerte etablieren könnte?

Unsere Initiative will einer Verstetigung der Naziszene in Ostritz möglichst zeitig entgegenwirken. Für November wurde schließlich schon eine weitere rechte Veranstaltung angekündigt. Bisher war die Hotel-Immobilie eher für die lokale rechte Szene interessant. Wenn die Nazis nun erstmals in größerer Gruppe kommen, müssen wir dafür sorgen, dass sie sich nicht wohlfühlen.

Was wäre für das antifaschistische Bündnis ein Erfolg?

Wir wollen eine große Anzahl von Menschen aus der Region mobilisieren und für das Thema sensibilisieren. Unsere Initiative will aber auch eine Diskussion darüber führen, weshalb kommerzielle Nazikonzerte durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt werden. Eine demokratische Gesellschaft muss sich nicht gefallen lassen, dass an Adolf Hitlers Geburtstag ein Nazi-Festival stattfindet.

Besteht bei strengeren Voraussetzungen für politische Versammlungen die Gefahr, dass auch linke Veranstaltungen betroffen sein könnten?

Das »Schild und Schwert«-Festival ist in unseren Augen keine Versammlung im Sinne des Grundgesetzes, sondern eine kommerzielle Veranstaltung zur Finanzierung neonazistischer Strukturen. Das feststellen zu lassen, wäre Aufgabe der Behörden gewesen. Dazu braucht es keine strengeren Voraussetzungen, sondern den politischen Willen, solche Veranstaltungen zu unterbinden. Es ist jedoch bezeichnend, dass das Landratsamt in Görlitz nicht einmal den Versuch unternommen hat, das Festival zu verbieten und den juristischen Weg zu beschreiten. Deshalb sehen wir in diesem Kontext keine Gefahr für linke Demonstrationen.

Wie ist die Lage von Antifaschisten in Ostsachsen?

Die Vorbereitungen zu unseren Protesten haben gezeigt, wie viel Potenzial die Region hat - »Rechts rockt nicht« ist inzwischen ein breites antifaschistisches und antirassistisches Bündnis, das von vielen Initiativen und Einzelpersonen aus dem gesamten Landkreis Görlitz unterstützt und getragen wird. Das hat uns positiv überrascht. Generell haben wir aber das Gefühl, dass linke, antifaschistische Positionen in Ostsachsen eher als Problem wahrgenommen werden und somit keinen leichten Stand haben.

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