Ein Haus voller Geschichten

Mit einer Themenwoche erforscht Pankow die Geschichte des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit nunmehr 105 Jahren prägt das 1913 im neobarocken Stil errichtetete Gebäude des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in der Berliner Straße 120 in Pankow schon das Bild der Straße. Dieses Jubiläum hat die Janusz-Korczak-Bibliothek, die sich seit 2001 in dem Haus befindet, zum Anlass genommen, um mit einer Themenwoche vom 23. bis zum 27. April die Geschichte des Gebäudes und seiner einstigen Nutzer zu erforschen.

»Im Mittelpunkt unserer Veranstaltungsreihe steht das jüdische Leben, dass es vor der Zeit des Nationalsozialismus in Pankow gegeben hat«, sagt Angelika Breuer, Pressereferentin der Janusz-Korczak-Bibliothek. Die Faschisten erzwangen 1940 die Schließung des Waisenhauses der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Nach der Befreiung diente das Gebäude in der DDR zunächst als Botschaftssitz von Polen und danach von Kuba.

Mit der Themenwoche wendet sich die Janusz-Korczak-Bibliothek speziell an Kinder und Jugendliche, aber auch an alle anderen Interessierten. »Das ehemalige Jüdische Waisenhaus ist ein Ort voller Geschichte und Geschichten. Diese historischen Brüche wollen wir erlebbar machen«, sagt Breuer.

Los geht es allerdings mit einer sehr gegenwärtigen Thematik. Am Montagabend kommen Juna Großmann und Till Jehoshua Baeckmann nach Pankow, um über ihren Alltag als jüdische Berliner zu sprechen. Das Projekt »Rent a Jew« hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch persönliche Begegnungen und Gespräche Vorurteile zwischen Juden und Nichtjuden abzubauen und Stereotype ad acta zu legen. »Um Ressentiments nachhaltig zu begegnen, ist es besser, miteinander statt übereinander zu reden«, sagt Alexander Rasumny, der als Referent für Medienpädagogik und Öffentlichkeitsarbeit das Projekt für die Europäische Janusz-Korczak-Akademie (EJKA) ins Leben gerufen hat. Von Angesicht zu Angesicht gehe das schließlich immer noch am besten, sagt Rasumny.

Das findet auch Bibliotheksmitarbeiterin Breuer. »Die jüngsten Vorkommnisse haben gezeigt, dass es auch heute noch Antisemitismus in Pankow gibt. Das Projekt schlägt die Brücke von der Geschichte in die Gegenwart und bereichert das Themenprogramm«, sagt Breuer mit Blick auf den antisemitischen Übergriff in Prenzlauer Berg am vergangenen Dienstag.

Das Highlight der Themenwoche ist die Premiere des Theaterstücks »OPDAKH« am 24. April. In dem von der Theatergruppe »Ohne festen Wohnsitz« uraufgeführten Stück nehmen vier Forscher mittels modernster Technik den Dialog mit dem Haus auf und hören zu, was es zu erzählen hat vom letzten Jahrhundert, in dem es von der Gesellschaft ausgegrenzten Menschen stets ein Obdach bieten konnte, bis es schließlich als Ort des Wissens und der Zukunftsgestaltung seine aktuelle Bestimmung fand.

Aber auch eine weitere künstlerische Annäherung an Geschichte dürfte auf großes Interesse der Besucher stoßen. Schüler vom Berliner »Sprachcafé Polnisch« gestalten am Abend des 25. April eine szenische Lesung aus dem Buch »Blumkas Tagebuch« von Iwona Chmielewska, in dem es um das Leben der Kinder im Warschauer Waisenhaus des polnisch-jüdischen Pädagogen Janusz Korczak geht.

Mehr Infos und Programm unter: www.stadtbibliothek-pankow.de

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