• Kultur
  • Reporter ohne Grenzen

Europas Pressefreiheit in Bedrängnis

Pressevertreter seien zunehmend medienfeindlicher Hetze durch Regierungen oder führende Politiker ausgesetzt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Pressefreiheit hat sich nach Analysen von »Reporter ohne Grenzen« (ROG) im vergangenen Jahr im weltweiten Vergleich in Europa am gravierendsten verschlechtert. Journalisten seien dort zunehmend medienfeindlicher Hetze durch Regierungen oder führende Politiker ausgesetzt, kritisierte die Journalistenorganisation in ihrer »Rangliste der Pressefreiheit 2018«. Das schaffe ein feindseliges, vergiftetes Klima, das oft den Boden für Gewalt gegen Medienschaffende oder für staatliche Repression bereite. Die »Rangliste der Pressefreiheit« vergleicht jährlich die Situation von Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien.

Vier der fünf Länder, die sich in der neuen Rangliste am stärksten verschlechtert haben, liegen laut »Reporter ohne Grenzen« in Europa. Das seien neben Serbien auch die EU-Mitglieder Malta, Tschechien und Slowakei. In all diesen Ländern seien Spitzenpolitiker 2017 durch verbale Anfeindungen, Beschimpfungen und juristische Schritte gegen Journalisten aufgefallen.

Stärkster Absteiger der Rangliste ist Malta, das sich innerhalb eines Jahres um 18 Plätze auf Rang 65 verschlechterte. Der Mord an der Investigativjournalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia im Oktober 2017 habe sichtbar gemacht, wie eng das Geflecht von Politik, Justiz und Wirtschaft in dem EU-Land sei und unter welch immensem Druck Journalisten dort auch infolge weitreichender Verleumdungsgesetze arbeiteten, hieß es.

Um elf beziehungsweise zehn Plätze verschlechterten sich Tschechien und die Slowakei. In beiden EU-Ländern kontrollierten Oligarchen mit verzweigten Geschäftsinteressen einen Großteil der Medien, darunter der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis, dem die beiden wichtigsten Zeitungen des Landes gehören. In der Slowakei wurde im Februar der Investigativreporter Jan Kuciak ermordet.

Auch in Ungarn und Polen stellten die demokratisch gewählten Staats- und Regierungschefs die Medienfreiheit infrage und behandelten kritische Medien unverhohlen als Feinde, erklärte die Organisation weiter. In beiden Länder hätten die Regierungen den öffentlichen und staatlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht, regierungskritische private Medien stünden unter starkem Druck. In Serbien habe sich das Klima für die Medien weiter verschärft, seit Ex-Ministerpräsident Aleksander Vucic 2017 zum Präsidenten gewählt wurde, hieß es.

Das fünfte Land mit den gravierendsten Verschlechterungen in der Pressefreiheit ist demnach Mauretanien. Dort sei das Vorgehen gegen Gotteslästerung weiter verschärft worden. Gemäß einem neuen Gesetz stehe darauf die Todesstrafe, selbst wenn der Beschuldigte Reue zeigt.

Deutschland: Hohe Zahl von Übergriffen auf Journalisten

An der Spitze der Rangliste stehen Norwegen, Schweden und die Niederlande. Deutschland verbesserte sich um einen Platz auf Rang 15. Hier kritisiert »Reporter ohne Grenzen« die hohe Zahl an tätlichen Übergriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Journalisten, insbesondere bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017. Insgesamt zählte die Organisation 2017 in Deutschland mindestens 16 gewalttätige Übergriffe.

Für problematisch hält ROG außerdem das Anfang 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz, das dem deutschen Geheimdienst die Überwachung von Journalisten im außereuropäischen Ausland ermöglicht, sowie das Netzwerkdurchsuchungsgesetz gegen Hassäußerungen in sozialen Medien.

Im ersten Amtsjahr von US-Präsident Donald Trump haben sich auch die USA erneut um zwei Plätze auf Rang 45 verschlechtert. Trump werde nicht müde, unliebsame Medien als »lügnerisch« zu diffamieren, und habe Journalisten als »Volksfeinde« bezeichnet, heißt es in dem Bericht.

Schlusslichter der Rangliste sind wie schon im Vorjahr Nordkorea, Eritrea und Turkmenistan. Als gefährlichstes Land für Medienschaffende gilt Syrien (Platz 177). Dort starben 2017 insgesamt 13 Journalisten bei der Arbeit. In der Türkei sitzen weltweit die meisten Journalisten im Gefängnis. Das Land verschlechterte sich um zwei Plätze auf Rang 157. Der größte Aufsteiger im diesjährigen Ranking ist das westafrikanische Land Gambia, das von Platz 143 auf Platz 122 vorrückte. Seit der Abdankung des langjährigen Machthabers Yahya Jammeh im Jahr 2016 würden die Medien dort einen rasanten Aufschwung erleben, erklärte ROG. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.