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- Feministischer Streik
Zeit für die nächste Eskalationsstufe
Kerstin Wolter und Alex Wischnewski plädieren für den politischen Streik - auch um die Interessen der Frauen zu stärken
Eine »neue Klassenpolitik« gilt derzeit für viele Linke als eine Hoffnungsträgerin, um angesichts der politischen und gesellschaftlichen Trends aus der allgemeinen Ratlosigkeit herauszukommen. Ihr Kern sind verbindende Praxen der in unterschiedliche Milieus und entlang geschlechtlicher und ethnischer Linien aufgespaltenen Arbeiter*innenklasse. Aus feministischer Sicht geht es gleichzeitig auch (schon immer) darum, dabei über den Tellerrand der Lohnarbeit hinauszublicken und auch die unentlohnte Sorge- und Hausarbeit in Analyse und Auseinandersetzungen miteinzubeziehen.
Doch während in Deutschland überwiegend über verbindende Praxen debattiert wird, haben die Frauen in Spanien schon einmal im großen Stil vorgelegt. Am 8. März beteiligten sich landesweit über fünf Millionen von ihnen an einem 24-stündigen feministischen Streik. Frauen blieben ihrer Erwerbsarbeit fern, organisierten sich an Universitäten, blockierten Straßen und Verkehrsmittel und ließen die Hausarbeit liegen - kurzum: Sie legten das Land für einen Tag in Teilen lahm und erreichten damit auch die oberste Riege der Politik.
Kerstin Wolter arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der LINKE-Ko-Vorsitzenden Katja Kipping und hat das Bündnis für den »Frauen*kampftag« am 8. März mitgegründet. Alex Wischnewski engagiert sich im Netzwerk »Care Revolution« und ist Referentin für feministische Politik der LINKEN im Bundestag. Gemeinsam mit anderen laden sie am 9. Mai zu einem ersten Streiktreffen ein.
Zeit: 18.30 Uhr
Ort: Aquarium, Skalitzer Str. 6, 10999 Berlin
Kontakt: frauenstreik@gmail.com
Regierungschef Mariano Rajoy und seine konservative Partei Partido Popular änderten ebenso wie die sie unterstützende neoliberale Partei Ciudadanos inzwischen ihre bisher deutlich ablehnende Haltung. Einer Umfrage der Zeitung »El País« zufolge bekräftigen 82 Prozent, dass es gute Gründe für den Aufstand der Frauen gibt. Deren Eckpfeiler sind eben jene, die auch in Deutschland Frauen betreffen und zum Streiken anregen müssten: Entgeltdiskriminierung, ungleiche Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit und ihre mangelnde Absicherung mit fatalen Folgen für die eigenständige Existenzsicherung und Rente, sexualisierte Belästigung und Gewalt gegen Frauen usw.
Der Frauen*streik in Spanien ist ein historisches, aber kein für sich stehendes Ereignis. Er ist Anlass und Auftakt einer weit darüber hinausgehenden Organisierung und gesellschaftlichen Debatte. Schon in den vergangenen Jahren gab es in Spanien immer wieder feministische Großdemonstrationen - die aus Lateinamerika kommende Inspiration zu einem feministischen Generalstreik fiel deshalb auf fruchtbaren Boden. Und auch jetzt wollen die Organisatorinnen die durch den Streik entstandene Vernetzung dazu nutzen, ihre Forderungen in andere Mobilisierungen - wie etwa der Rentner*innen - hineinzutragen. Es ist also noch lange nicht vorbei.
Auch deshalb nicht, weil es eine Anregung für andere Länder sein kann, zum Beispiel für Deutschland. Sicher: Sowohl die Frauenbewegung als auch die Demonstrations- und Streikkultur sind hierzulande nur schwer mit jener in Spanien zu vergleichen. Die institutionelle Einbindung und damit oftmals auch Einhegung von großen Teilen der Frauenbewegung ist in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark vorangeschritten. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir bei den Gewerkschaften. Erst in letzter Zeit wird dies wieder stärker durchbrochen und herausgefordert. Die Debatte um sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, die Proteste gegen den Paragrafen 219a und die Streiks und die gewerkschaftliche Organisierung im Pflegebereich zeugen davon.
Doch der politische Streik ist in Deutschland verboten. Gemeinhin gilt, dass der Arbeitskampf den falschen Adressaten treffe, wenn sich die politischen Forderungen an den Staat und nicht allein an den Arbeitgeber richten würden. Es gibt aber Interpretations- und Handlungsspielräume. Nicht nur Marxistinnen verweisen darauf, dass Politik und Ökonomie vielfältig miteinander verwoben sind. Außerdem gäbe es eine ökonomisch bedingte Verteilung von Einflussnahmemöglichkeiten auf die politische Willensbildung. Frauen trifft dies in besonderer Weise, da sie durch ihre unentlohnte Arbeit zwar den Bereich der Produktion mit stützen, aber gleichzeitig soziale und ökonomische Abwertung und Ausgrenzung erfahren. Politische Streiks sind auch in Deutschland damit letztlich eine Frage der Legitimität - der Wahl der Mittel im Verhältnis zum Anliegen. Und die liegen auch in Deutschland auf der Straße, im Betrieb, in der Schule, der Küche, der Pflegeeinrichtung. Frauen haben lange genug für mehr Gleichberechtigung und eine Aufwertung ihrer Tätigkeiten verhandelt. Die Zeit ist reif für die nächste Eskalationsstufe.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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