Europa als Jugendschreck
Beim Europäischen Jugendforum in Sofia erhielten die Teilnehmer ernüchternde Einblicke in das Interesse von EU-Politikern für junge Menschen
Großzügig und gratis schenkten die bulgarischen Gastgeber bei der von der EU gesponserten Konferenz des Europäischen Jugendforums (YFJ) vergangene Woche scharfes Feuerwasser aus. Doch nicht nur wegen der bulgarischen Schnapsbrennergaben kehrten die jugendlichen Teilnehmer aus ganz Europa mit einem ernüchternden Kater nach Hause zurück. In Sofia sei versucht worden, »die Jugend um jeden Preis zu ignorieren«, zog der spanische YFJ-Präsident Luis Alvarado gegenüber dem Europaportal euractiv.de bittere Bilanz: Die Konferenz sei ein »außerordentliches« Beispiel dafür gewesen, »was Jugendbeteiligung nicht ist«.
Schon die Tatsache, dass die Jugendlichen erstmals das Geld für die Flugtickets vorstrecken mussten, kritisierte das YFJ als Hindernis für Teilnehmer aus armen Verhältnissen. Außer dem kostenlosen Ausschank harter Alkoholika bemängelte Alvarado, dass einem Seminar zur Gleichstellung der Geschlechter eine Party in einem Nachtclub gefolgt sei, bei dem »halbnackte« Frauen über die Tische tänzelten. Viele der Jugendlichen habe der »inakzeptable« Programmpunkt als »klares Zeichen für die Förderung patriarchaler Stereotypen« gestört und verärgert: »Es ist empörend, dass öffentliche EU-Gelder auf diese Weise ausgegeben werden.«
Auch die Debatten dominierende Politikerprominenz demonstrierte laut Alvarado vor allem ihr Desinteresse an den Anliegen der Jugendlichen. Während der ungarische EU-Jugend-Kommissar Tibor Navracsics das Podium nach Verlesung seiner Rede verließ, ohne die Vorschläge der Jugendlichen anzuhören, wartete Bulgariens Premier Bojko Borissow mit einem Altmännerratschlag auf. Die Jugendlichen sollten ihre »erste Pflicht« zur Fortpflanzung nicht vergessen, mahnte er - und verwies launig auf die deutsche Verteidigungsministerin und siebenfache Mutter Ursula von der Leyen.
Anerkennender Beifall war dem ranghohen Scherzkeks trotz der eher perplexen Reaktion der Gäste gewiss. Gegenüber euroactiv.de berichtete ein Vertreter des bulgarischen Jugendrats, dass das Jugendministerium in Sofia die freiwilligen Helfer der Konferenz angewiesen habe, nach der Rede von Borissow aufzustehen und zu applaudieren.
Von einem Treffen der »verpassten Chancen« spricht das YFJ. Gereizt reagieren vor allem die Gastgeber auf die wenig schmeichelhafte Konferenzkritik. Alvarado habe an dem Forum selbst gar nicht teilgenommen, erklärte aufgebracht Toma Bikow von der regierenden Gerb-Partei in Bulgariens Staatsfernsehen mit Verweis »auf sehr gute« Geheimdienstquellen.
Das Internet hatten Bulgariens Schlapphüte für ihre Erkenntnisse allerdings offenkundig nicht bemüht: 14 Minuten lang ist auf YouTube der Auftritt des YFJ-Präsidenten in Sofia zu sehen.
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