- Politik
- Proteste in Armenien
Pschinjan ruft Anhänger zum Stopp der Proteste auf
Oppositionsführer rechnet mit der Wahl zum Ministerpräsidenten
Jerewan. Der Anführer der Protestbewegung in Armenien, Nikol Paschinjan, rechnet mit seiner Wahl zum neuen Ministerpräsidenten im zweiten Anlauf am 8. Mai. Die drei Oppositionsfraktionen im Parlament der Ex-Sowjetrepublik hätten vereinbart, ihn erneut aufzustellen, sagte Paschinjan am Mittwochabend in Eriwan. Nach drei Wochen mit täglichen Massenprotesten rief er seine Anhänger auf, am Donnerstag nicht zu demonstrieren.
Paschinjans Hoffnung wurde auch durch Bewegung auf der Gegenseite bei der herrschenden Republikanischen Partei befeuert. Am Dienstag hatte die Parlamentsmehrheit seine Wahl an die Spitze der Regierung noch verhindert. Am Mittwoch beschlossen die Republikaner, am 8. Mai einen Kandidaten zu unterstützen, der von einem Drittel der Abgeordneten nominiert werde. Das ist keine Zusage, Paschinjan zu wählen; aber es öffnet den Weg zu seinem möglichen Wahlsieg.
Die Demonstrationen legten am Mittwoch fast das gesamte öffentliche Leben in Armenien lahm. Der Verkehr stand nicht nur in Jerewan still, der Hauptstadt des knapp drei Millionen Einwohner zählenden Landes. Auch Überlandstraßen, der internationale Flughafen von Eriwan, der Bahnverkehr und mehrere Grenzübergänge waren betroffen.
Wie in den Wochen zuvor blieb der Protest der sogenannten Samtenen Revolution friedlich. Die Demonstranten bildeten Menschenketten und schwenkten die rot-blau-orange Landesfahne. Viele Menschen sangen oder tanzten. In ihrer Euphorie erwarten die Demonstranten ein Ende der Korruption und Stagnation in Armenien, für die sie die Republikaner verantwortlich machen. Deren Chef Sersch Sargsjan haben sie schon zum Rücktritt als Ministerpräsident gezwungen.
Bei der Kundgebung am Mittwochabend sagte Paschinjan seinen meist jugendlichen Anhängern aber: »Geht morgen in die Schule! Was immer ihr verpasst habt, lest ihr heute abend noch nach!«
Sollte die Wahl eines Ministerpräsidenten am 8. Mai erneut scheitern, wird der Verfassung zufolge das Parlament aufgelöst. Doch bis zur Neuwahl bleibt der Staatsapparat in Hand der Republikanischen Partei. Sie kann die Vorbereitung und den Ablauf der Wahl beeinflussen. Die Protestbewegung will zwar auch Neuwahlen, ist aber organisatorisch noch nicht dafür aufgestellt.
Misstrauisch beäugt wird die Entwicklung von Russland. Moskau lehnt sogenannte Bunte Revolutionen, also Machtwechsel durch den Druck der Straße, ab. Russland unterhält einen Militärstützpunkt in Armenien. Es ist die Schutzmacht der Armenier, die mit ihren Nachbarn Aserbaidschan und Türkei verfeindet sind. dpa/nd
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