Scholzens Trickkiste
Wie sich der Finanzminister den Etat für Entwicklungshilfe schönredet
Einzelne Ressorts der Bundesregierung sind eigentlich nie so recht zufrieden mit dem, was sie in den Haushaltsverhandlungen mit dem Finanzminister herausholen. Das ist nichts Ungewöhnliches und passiert praktisch jedes Jahr. Der erste Haushaltsbeschluss der neuen Großen Koalition hat allerdings eine verschärfte Form dieser Auseinandersetzung bewirkt: Sowohl das Verteidigungs- als auch das Entwicklungsministerium machen öffentlich Front gegen die Haushaltspläne, die Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegt hat. Dabei geht es vor allem um die Entwicklung der beiden Einzelhaushalte in den Jahren bis 2021. Sowohl Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) protestierten in einer Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss gegen die vorgesehenen Ausgaben der nächsten Jahre: Der Bedarf beider Ressorts werde dabei ebenso wenig berücksichtigt wie die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Absicht, den Anteil dieser Haushalte am Bruttoinlandseinkommen nicht sinken zu lassen.
Die Aussage des Finanzministers bei seiner Präsentation der Haushaltsbeschlüsse vor der Bundespressekonferenz lässt sich auf die Formel bringen: Sowohl die Bundeswehr als auch die offizielle Entwicklungshilfe bekommen in den nächsten Jahren mehr Geld, und noch mehr Mittel wolle doch jedes Ministerium. Ob das machbar sei, werde sich erst in der Zukunft zeigen.
Ein Beispiel ist der Haushalt 2018 des Entwicklungsministeriums (BMZ). Hier kommt es darauf an, das Gewicht auf die zurückliegende Periode zu legen - insbesondere, wenn der Zukunftsplan nicht sehr viel hergibt. So rechnet das BMZ den kräftigen Sprung von 2014 (6,4 Milliarden) bis 2017 (8,7 Milliarden) mit der künftigen Finanzplanung bis 2021 (dann sind es immer noch nur 8,7 Milliarden) zusammen, was einen Gesamtanstieg in den beiden Legislaturperioden von 42 Prozent bedeutet - obwohl Minister Gerd Müller tatsächlich nominal gleichviel und preisbereinigt 2021 weniger Geld trotz wachsender Aufgaben des Ressorts zur Verfügung haben wird als 2017. Im Koalitionsvertrag war zwar vereinbart worden, dass der BMZ-Etat im Gleichschritt mit dem des Verteidigungsressorts wachsen soll, doch in Wirklichkeit legt Ursula von der Leyens Haushalt von zuletzt 39 Milliarden auf geplante 42 Milliarden Euro zu - mithin das Fünffache der Entwicklungshilfe.
Damit das Bild der politischen Prioritäten Deutschlands in der internationalen Entwicklungsszene nicht allzu schief dasteht, greift diesmal der CSU-Minister selbst in die Trickkiste. Die Gesamtleistung eines Geberlandes an Hilfe drückt sich in der »ODA-Quote« aus. Schon 1972 legte die UN als Zielmarke eine Hilfe von mindestens 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung fest. Mit seinem neuen Etat macht Minister Müller eine ODA-Punktlandung von zuvor nur 0,42 Prozent auf genau 0,7 Prozent. Müller gelingt das aber nur, weil er die 6,6 Milliarden Euro des neuen Postens im Bundeshaushalt »Integration von Flüchtlingen und Minderung von Fluchtursachen« mit in die Quote einbezieht, ebenso zählen entwicklungsrelevante Ausgaben anderer Ressorts wie die Katastrophenhilfe des Auswärtigen Amtes oder der Klimafonds dazu. Die deutsche Quote im Umfang von rund 25 Milliarden Dollar stammt damit nur knapp zur Hälfte aus dem BMZ.
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