Bundeswehr wollte C-Waffen für Ernstfall

Späte Bestätigung für Warnungen aus der DDR - Vorbereitungen liefen auf höchster Ebene

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Dezember 1968: Ein aus der Bundesrepublik in die DDR übergetretener Mikrobiologe namens Ehrenfried Petras berichtete im Deutschen Fernsehfunk der DDR über ein westdeutsches »Rüstungsprogramm auf dem B- und C-Waffen-Sektor«. Es handle sich um ein »straff organisiertes System der Forschung, Testung und Produktionsvorbereitung unter der Leitung des Bundesverteidigungsministeriums«, gab der ehemals leitende Mikrobiologe zu Protokoll. »Zur unmittelbaren Leitung der biologischen und chemischen Kriegsvorbereitungen« sei eine besondere »Studiengruppe ABC« gebildet worden, erklärte Petras weiter und erwähnte auch eine Zusammenarbeit mit der US-Armee. Die Nachricht lief über die Ticker von dpa, AP und UPI. Nur Stunden später folgte das Dementi aus dem Bonner Verteidigungsministerium: Die Bundesrepublik habe auf die Herstellung von ABC-Waffen verzichtet. In der Tat, bereits in den 1950er Jahren war das im Vertrag über die Westeuropäische Union so verankert.

Nun haben Journalisten von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« bislang geheime Dokumente ausgewertet. Demnach bemühte sich das Bonner Verteidigungsministerium damals nicht nur - wie öffentlich bekannt - um die Verfügungsgewalt über Atomwaffen, man wollte von den USA auch chemische Waffen erwerben. Gerade so, als habe Deutschland nicht im Ersten Weltkrieg bei Ypern die Büchse der Pandora geöffnet. Vergessen schien der von Deutschen begangene Holocaust, bei dem mit Zyklon B Millionen Menschen umgebracht wurden.

1961, als der Kalte Krieg zwischen den Gesellschaftssystemen einen Höhepunkt erlebte, forderte die Bundesrepublik bei der NATO, dass nicht nur die USA Fähigkeiten zur Abschreckung und Vergeltung mit C-Waffen haben sollten. Das westliche Militärbündnis bezog damals einen C-Waffen-Angriff des Warschauer Paktes samt entsprechender Antwort in die Planungen ein. Der damalige Generalinspekteur Friedrich Foertsch verlangte für die Bundeswehr: »Wir können auf solche Mittel nicht verzichten.«

Wie Dokumente belegen, bat Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) 1963 die US-Regierung um die Lieferung von chemischer Munition. Man wollte 14.000 Tonnen C-Waffen, um sie im Ernstfall durch Artillerie und Luftwaffe gegen Truppen des Warschauer Pakts einzusetzen. Solche Einsätze wurden von 1962 bis mindestens 1968 detailliert geplant und geübt. 1966 entstand die von Petras via DDR-Medien enttarnte »Studiengruppe ABC-Wesen« in Sonthofen. Das Expertenteam spielte Gefechte mit C-Waffen beider Seiten in der Region um Braunschweig durch - mit verheerenden Erkenntnissen. 1968 entschied Verteidigungsminister Gerhard Schröder (CDU) dann, »zunächst keine Vorbereitung für eine aktive Verwendung von chemischen Waffen durch die Bundeswehr vorzusehen«.

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