• Politik
  • Debatte über "Jugendwiderstand"

Stimmungsmache mit der Splittergruppe

Maoistische Gruppe »Jugendwiderstand« sorgt durch Gewalt und Israelhass immer wieder für Aufregung

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind Szenen, die niemand sehen will: Linke gehen aufeinander los. So geschehen am 1. Mai in Berlin, als Mitglieder der Gruppe »Jugendwiderstand« einigen Feministinnen ein Transparent entrissen, mit dem sie sich gegen die Israel-Boykott-Kampagne »BDS« (Boycott, Divestment and Sanctions; zu deutsch: »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen«) äußerten.

Auch zwei Tage später in Bochum sind die Szenen nicht schöner. Ein Ableger des »Jugendwiderstands« um die ehemalige lokale LINKE-Sprecherin Hannah Bruns hatte zu einer Kundgebung für Palästina aufgerufen. Linke Israel-Freunde hatten dagegen mobilisiert. Nach dem Ende der Kundgebung wurden aus dem Lager der Palästina-Fans Steine auf die antisemitismuskritischen Linken geworfen. Es blieb bei Sachschäden. Der Streit zwischen den Freunden Palästinas und den Freunden Israels ist in großen Teilen der radikalen Linken eigentlich schon seit langer Zeit passé.

In Berlin gehen Sicherheitsbehörden von 20 Mitgliedern der Kerngruppe des »Jugendwiderstands« aus. auch in Bochum handelt sich es um eine kleine Szene. Wo am 30. April noch mehr als 300 Linksradikale zur »Revolutionären Vorabenddemo« zusammenkamen, zogen Freunde und Feinde Israels tags darauf zu einer Kundgebung nur jeweils 40 Personen an.

Insgesamt ist der Nahost-Konflikt in der radikalen Linken durchexerziert. Während es vor 10 bis 15 Jahren noch als eine Notwendigkeit erschien, dass sich jede Gruppe dazu verhält, ist das heute offenbar nicht mehr nötig. Die Kritik, die »Antideutsche« damals an Antizionismus und Antisemitismus übten, hat Früchte getragen. Viele Gruppen verzichten heute auf eine klare Positionierung und das Existenzrecht Israels wird weithin als Standard anerkannt. Für die meisten Gruppen spielt der Nahost-Konflikt in ihrer alltäglichen Praxis sowieso keine Rolle.

Konservative Zeitungen wie die »Welt« oder die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (»FAZ«) nehmen abseitige linke Gruppierungen wie den »Jugendwiderstand« allerdings gerne zum Anlass, sich hämisch über die radikale Linke zu äußern. In der »FAZ« hieß es am 2. Mai: »Lenin, Stalin und Mao – vereint gegen Israel!«. Autor Markus Wehner konnte von Lobliedern auf die kommunistische Partei Chinas berichten und von seltsamen Reden, in denen sich Aktivisten als »Söhne und Töchter der deutschen Arbeiterklasse« und »Erben Ernst Thälmanns« bezeichneten. Was wie Zitate aus der Mitte des 20. Jahrhunderts klingt, wird von Gruppen wie dem »Jugendwiderstand« allerdings durchaus ernst gemeint.

Für die Aktivistin Katharina M., die seit Jahren in der linken Szene im Ruhrgebiet und für Solidarität mit Israel aktiv ist, ist klar, welche Funktion ein solcher Artikel hat: »Es geht darum, die radikale Linke zu diskreditieren, indem auf linken Antisemitismus abgehoben wird.« Man müsse fraglos gegen antisemitische Positionen in der Linken vorgehen, und da gebe es auch sicherlich noch einiges zu tun, sagt die Frau, die 2009 in Bochum zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, nachdem sie mit einer Israel-Fahne gegen eine Palästina-Kundgebung demonstriert hatte. Aber der Text in der »FAZ« habe das alleinige Ziel, Linke als extremistisch und als Antisemiten abzustempeln.

Im Artikel der »FAZ« ist auch von türkisch- und arabischstämmigen Jugendlichen beim »Jugendwiderstand« die Rede, bei denen »die Fäuste locker sitzen«. Die Darstellung migrantischer Linker als Antisemiten habe zudem »eine rassistische Komponente«: Linke Migranten hätten in solchen Texten nur einen Platz als Antisemiten. Über ihre Realität und die unterschiedlichen Rollen, die sie in der radikalen Linken einnehmen, erfährt man dagegen wenig.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -