Kopfschuss, Exitus
Die Serie »Barry« etabliert den Typus des alltäglichen Auftragskillers in einer Komödie
Ein Mord im Fernsehen zu zeigen, galt mal als Tabu. Und als das nicht mehr so war, da musste ersichtlich sein, dass der Mörder böse ist und die, die ihn zur Strecke bringen, die Guten sind. Der Mörder endete immer im Kugelhagel - oder wenigstens im Fegefeuer; zu sehen bekam man davon aber höchstens die Jagd, selten die Tat. Das galt umso mehr für die Steigerung von Mörder: Den weisungs-, statt gefühlsgetriebenen Auftragskiller. Kaltblütiger ging’s kaum. Bis Regisseure wie Akis Kaurismäki, Quentin Tarantino oder die Coen-Brüder einen Typ Serienmörder ganz neuer Prägung schufen. Er war meist melancholisch, manchmal lustig, zutiefst sachlich und hat so den Weg bereitet für eine Serienfigur, die alles in sich vereinigt: »Barry«.
Irgendwo in Nirgendwo der USA bestreitet dieser Ex-Marine seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht damit, auf Anfrage Leichen zu produzieren. Die erste sieht man gleich zu Beginn des HBO-Sechsteilers, den Sky jetzt auch in deutscher Übersetzung zeigt: Kopfschuss, Exitus, etwas blutige, relativ saubere Sache. Barry versteht halt sein Fach. Weit weniger versteht er davon, seinem Alltag Sinn zu geben. Nach getaner Arbeit nämlich hockt Barry allein vorm Fernseher und isst mit leerem Blick Fastfood, bevor es tags drauf im Kleinwagen zum nächsten Einsatz geht. Die Unterwelt kann ganz schön trist sein.
Dann aber schlägt das Schicksal zu und lotst den trübsinnigen Desperado nach Hollywood, wo er im Auftrag der tschetschenischen Mafia einen Schauspielschüler töten soll. Dummerweise verliebt sich Barry dabei nicht nur in dessen Kommilitonin Sally (Sarah Goldberg), sondern in ihren Beruf gleich mit. Bevor aus dem Berufskiller Barry Berkman allerdings der Theatermime Barry Block werden kann, muss er ja noch Ryan (Tyler Jacob Moore) umlegen, mit dem er sich leider anfreundet, was die Gangster mitkriegen und weshalb sie selbst zur Waffe greifen, wofür Barry zwei von ihnen im Auto erschießt. Dort läuft jedoch eine Kamera mit, die der Polizei in die Hände fällt und eine Eskalationsspirale in Gang setzt - schließlich endet es fast immer in einer bizarren Steigerungslogik unerwarteter Wendungen, wenn das Verbrechen am Bildschirm Normalität simuliert und umgekehrt.
Formate von »Lilyhammer« bis »Fargo« bieten da schönes Anschauungsmaterial in einem Genre, für das der Begriff »schwarze Komödie« längst viel zu kurz greift. Dass unter den Running Gags über inkompetente IT-Experten oder dem Theaterschüler, der endlich mal etwas anderes als Leichen spielen will, immer noch Platz für menschlichen Tiefgang ist, dafür sorgt dann schon Showrunner Bill Hader.
Bekannt vor allem aus »Saturday Night Life«, hat der renommierte Komiker nicht nur die Bücher zu »Barry« geschrieben und verfilmt. Er verkörpert auch noch die Titelfigur. Und das mit einer trockenen Beiläufigkeit, die das Doppelleben zwischen kühler Tötungsmaschine und empathischem Bühnenneuling unterhaltsam ausbalanciert. Darsteller wie Anthony Carrigan als tollpatschiger Mafioso oder Barrys Bühnenlehrer Cousineau, gespielt vom legendären »Fonzie« der Siebzigerserie »Happy Days« (Henry Winkler), überdrehen das Rad bisweilen zwar Richtung Slapstick. Darüber hinaus aber entwickelt die Miniserie sehr dezente Anziehungskraft mit Fortsetzungspotenzial und einer verstörenden Erkenntnis: Killer können Kumpels sein, wenngleich recht tödliche.
Verfügbar auf Sky
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