• Politik
  • Vor der Bürgerschaftswahl in Bremen

Galoppierende Schwindsucht

Der Absturz der SPD setzt sich in Bremen fort - die LINKE erreicht laut Umfrage 15 Prozent

  • A. Cäcilie Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl in Bremen hat die rot-grüne Landesregierung dramatisch an Rückhalt verloren. Wie eine aktuelle Umfrage des Instituts Infratest-Dimap ergab, kommt das Regierungsbündnis derzeit auf 40 Prozent der Stimmen. Im Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2015 verliert die SPD noch einmal sieben Prozentpunkte und fällt auf nun 26 Prozent - nur knapp vor der CDU mit 24 Prozent. Bereits 2015 verzeichneten die Sozialdemokraten mit knapp 33 Prozent ihr bis dahin schlechtestes Resultat der Nachkriegszeit. Den größten Stimmenzuwachs kann die Bremer LINKE verbuchen: 15 Prozent der Bremer Wahlberechtigten würden demnach ihr Kreuz bei der Linkspartei setzen. Die Grünen liegen bei 14 Prozent

Bei Unzufriedenheit mit Leistungen kommt neben dem Arbeitsergebnis nicht zuletzt dem Personal eine entscheidende Rolle zu. Das gilt auch für die jüngsten, verheerenden Umfrageergebnisse der Bremer Regierungskoalition. Im Bundesvergleich rangiert Bremen in fast allen für die Bevölkerung wichtigen Feldern im Schlussfeld. Die rote Laterne trägt das kleinste Bundesland bei Armut, Bildung, Arbeitslosigkeit. Auch in Sachen Wohnraumangebot und Infrastruktur sieht es in Bremen übel aus. Die hansestädtische SPD trägt zudem an personellen Altlasten.

Insbesondere Wissenschafts- und Gesundheitssenatorin Eva Quandte-Brand (SPD) ist sehr umstritten. Sie wirtschaftet, so die verbreitete Meinung, die öffentlichen Krankenhäuser kaputt und beschert ihnen steigende Schulden. Aus dem eigenen Haus wird ihr öffentlich Unfähigkeit und mieser Führungsstil vorgeworfen.

Bürgermeister und Senatspräsident Carsten Sieling (SPD) wiederum wurde nicht gewählt, sondern überredet, jene Position zu bekleiden, für die Jens Böhrnsen (SPD) im Mai 2015 kandidiert hatte und gewählt worden war. Böhrnsen erklärte am Tag nach der Wahl seinen kompletten Rückzug aus der Politik, verließ auch die Bremische Bürgerschaft, der er 20 Jahre angehört hatte. Sieling ist kein gebürtiger Bremer und war zuvor selten öffentlich zu erleben. Nun müht er sich seit drei Jahren mit Böhrnsens zu großen Fußstapfen und mit der Finanzmisere ab, die noch aus der Ära Henning Scherfs (Bürgermeister von 1995 bis 2005) herrührt. In einer Koalition mit der CDU hatte Scherf Bremens Tafelsilber verkauft und heute noch kostenintensive »Leuchtturmprojekte« initiiert.

Kürzlich grätschte den Genossen mit Friedrich Hennemann noch ein Uralt-SPDler ins aktuelle politische Geschäft. Der über 80-Jährige ließ sich ausgerechnet von jenem Ortsverein zur Wahl des Bremer SPD-Vorsitzenden aufstellen, in dessen Gebiet die meisten der über 20 000 Mitarbeiter der Groß-Werft Vulkan wohnten. Vor gut 20 Jahren hatte Hennemamm diese Werft abgewickelt, was zum Niedergang des Bremer Nordens führte. Bei der Wahl hatte er keine Chance, der Bremer SPD bescherte er aber unangenehme Meldungen in den Medien.

Die Bremer LINKEN, die in der Hansestadt zu einer anerkannten und beachteten Stimme im Parlament geworden sind, würden den jüngsten Umfrageergebnissen zufolge die Grünen erstmals um ein Prozent überholen. Letztere sind mit sich beschäftigt. Sie haben gerade ein Damen-Trio zu Spitzenkandidatinnen gekürt, was nicht ganz harmonisch lief. Gleichzeitig nimmt ein Wahlbündnis von Aktivisten, die mit der Politik der Bremer Grünen unzufrieden sind, Fahrt auf. Hier finden sich grüne Gründungsmitglieder der ersten Stunde ebenso wie junge Unzufriedene. Die Arrivierten bekommen also Konkurrenz aus ihrer ureigensten Klientel

Die Linksfraktion im Bremer Landtag ist in ihrer Zusammensetzung der der Bremischen Bevölkerung am ähnlichsten. Ihre Fraktionsmitglieder sind verwurzelt im Bremer Alltag, in den wichtigsten Bremer Berufsgruppen, in der Gewerkschaft, in ihren Quartieren, in Initiativen. Zudem handelt die Bremer Linksfraktion pragmatisch und an Inhalten orientiert - sie scheut punktuelle Kooperationen mit anderen Fraktionen nicht, greift konkrete und aktuelle Sorgen des Wahlvolks auf und reagiert spontan. Die internen Querelen ihrer Anfangszeit vor gut zehn Jahren sind längst Geschichte.

Die CDU bleibt weit hinter ihren eigenen Erwartungen. Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder hat als Zielmarke etwa 35 Prozent ausgegeben, aktuell sind es laut Umfrage elf Prozent weniger. Der Bremer Unternehmer führt eine von ihm gegründete Internetagentur mit inzwischen rund 1000 Mitarbeitern. Er ist Politik-Neuling, was in allen seinen Äußerungen deutlich wird. Insgesamt wirkt er wenig überzeugend, besonders durch sein persönliches Motto für seine Kandidatur: Man kann's ja mal versuchen.

Die Gruppierungen rechts von der CDU kamen im Bremer Landtag vor drei Jahren auf etwa neun Prozent und verfügen über fünf Sitze. Ursprünglich gehörten vier davon der AfD. Mittlerweile sind aus den Fünf eine Dreier-Gruppe und zwei Einzel-Abgeordnete geworden, einer davon ein AfDler. Nach den Umfrageergebnissen würde die AfD auf etwa neun Prozent kommen.

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